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FeG Wetzlar: Hand in Hand mit Jesus

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Gottesdienst in der FeG Wetzlar: Eine Band begleitet die Gemeinde beim Singen.

Foto: Nina Flauaus

Gottesdienst in der FeG Wetzlar: Eine Band begleitet die Gemeinde beim Singen.

Wenn die Freie evangelische Gemeinde (FeG) ihren Sonntagsgottesdienst feiert, dann gleich zweimal hintereinander. Jesus ist in ihrer Mitte und Kinder sind stets willkommen. Ein Erlebnisbericht aus Wetzlar in unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Glocken läuten nicht zum Gottesdienst. Doch die Kirche der "Freien evangelischen Gemeinde" in Wetzlar füllt sich schnell am Sonntagmorgen um 9.27 Uhr. Der weiße Bau im Wohngebiet am Rand der mittelhessischen Stadt zieht Eltern, viele Kinder, Jugendliche, auch Paare und einzelne Ältere an. Sie gehen ihren Weg, vorbei am Informationsstand, in den Kirchenraum im Erdgeschoss. Hinterm Eingang, rechts an der Wand, befinden sich die für alle gut sichtbaren kleinen offenen Postfächer für jede Familie beziehungsweise jedes Gemeindemitglied. Dort werden Nachrichten untereinander ausgetauscht, von Glückwünschen bis zu Veranstaltungsinformationen. "Guten Morgen" erklingt es überall im  Raum. Wer durch die Stuhlreihen rückt, grüßt seinen Nächsten.

Das Schlagzeug gibt den Takt um 9.30 Uhr vor, die Gitarre setzt mit ein und der Gottesdienst beginnt. Die Besucher sitzen im mit blauem Teppichboden ausgelegten Kirchenraum und auf der Westempore. Im sogenannten "Aquarium", einem kleinen Zimmer für die Jüngsten, das eine Fensterscheibe vom Gottesdienstgeschehen trennt, steht in der Ecke ein blauer Elefant zum Schaukeln. Spielzeug liegt überall. Und Lautsprecher übertragen die Worte und auch Musik der Verkündigung durch die Glasscheibe in den Raum.

Das Kirchengebäude der Freien evangelischen Gemeinde in Wetzlar.

"Herzlich willkommen!", sagt Gemeindemitglied Philip Utsch. Das Mikrofon in der linken Hand haltend steht er für alle gut sichtbar vor der Gemeinde, zweistufig erhöht, auf hellem Holzboden. Neun Deckenscheinwerfer, einst von einem Bergsteiger angebracht, und viele kleine Lampen schaffen warmes Licht. Die Band steht hinter ihm. Über ihnen prangt eine große Beamer-Leinwand, die den meisten Platz einnimmt. Die Seitenschiffe werden durch Stahlstützen markiert. Das zentrale Mittelschiff hat hohe Decken, weiß sind die Wände gestrichen. Das Kirchenfenster formt ein Kreuz. Glasscheiben schimmern durchsichtig, in blau, lila und grün. Seitlich hängt ein dreiteiliges Gemälde: sanfte Farben malen ein Kreuz. In der FeG Wetzlar ersetzt ein weißer Flügel die Orgel. Das Taufbecken kann man nicht sehen, da es für Ganzkörpertaufen verdeckt im Bühnenpodium im Boden eingelassen ist. Damit alle aber eine Taufe mitverfolgen können, wird die jeweilige Zeremonie per Kamera auf die Leinwand übertragen.

Was wird passieren? Das verrät Philip Utsch. Der Mann gibt der Gemeinde einen schnellen Überblick, wie der Gottesdienst ablaufen wird. Weil demnächst die Schule beginnt, werden alle diesjährigen Schulanfänger gesegnet. Die Predigt wird über Gottes Führung am Beispiel der Josefgeschichte sein. 13 Mädchen und Jungen, mit ihrem Schulranzen in der Hand, treten vor. "Was erwartet Euch wohl in der Schule?", fragt eine Frau die Kinder. "Schreiben", antwortet jemand, "Lesen, Rechnen", antworten andere. "Und was werdet ihr nie vergessen?", fragt die Frau weiter. "Jesus!", ruft kraftvoll ein Mädchen und lächelt. Ein Lachen geht durch den Raum. "Ja, natürlich, darauf werde ich gleich noch kommen. Jetzt war der Schulranzen gemeint. Ihr wisst: Jesus wird immer bei Euch in der Schule sein!" Alle applaudieren. Kinder sind in der Kirche willkommen. Viele begleiten ihre Eltern, sitzen auf Mamas oder Papas Schoß.

Wo Lieder den Glauben stärken

Drei Lobpreislieder werden gesungen, von der Band musikalisch unterstützt. Damit jeder mitsingen kann, werden die deutschen Liedtexte mit englischem Untertitel für alle gut sichtbar an die Leinwand projiziert. Gesangbücher gibt es keine mehr. Zum Singen stehen viele auf, die meisten auch zum Beten, wenige bleiben sitzen. Dafür sieht man allerorten strahlende Augen. Manche Menschen sind einander zugewandt, andere lächeln in den Raum. Wieder andere strecken ihren linken Arm, gern auch beide Arme mit offenen Handflächen dem Himmel entgegen oder tanzen. Die Gemeinde singt viel. Die Musik klingt popartig. Die Texte thematisieren die Beziehung des Einzelnen zu Gott. Klassisch-traditionelle Kirchenlieder hört man aber selten. Damit alles ordentlich klingt, dafür sorgen vier Männer an mehreren Mischpulten.

Singen und tanzen, auch das gehört zum Gottesdienst.

Und wieder spielt die Band. Eine Art Werbeblock läuft auf der Leinwand über den Beamer: "Sommerfest", "Start Biblischer Unterricht", "WORSHIP HIM", "Kleidertauschbörse". Eine Anzeige verweist auf den FeG-Männertag: "Mein Leben, Meine Sehnsucht, meine Schlacht" und mit einer besonderen Betonung wird auf das Seminar "Im Glauben wachsen"aufmerksam gemacht. Nun wird die Kollekte gesammelt. Eine Frau erzählt auf der Bühne, wie gut es ihr ergeht, seitdem sie Mitglied dieser Gemeinde ist. Dann tritt Jugendpastor Timo Scherer von der ersten Reihe nach vorne. Er spricht für alle ein Gebet, das mittels Headset laut in den weiten Raum dringt, und segnet die künftigen Schulkinder. In der FeG Wetzlar heißt der Pfarrer nicht Pfarrer, sondern Pastor, "Hirte". Timo Scherer hat dunkelblonde Haare, einen Dreitagebart und trägt keinen schwarzen Talar: rot ist sein Hemd, schnell sind seine Worte.

9.58 Uhr: Die Kinder verlassen den Gottesdienst, um, verteilt auf fünf Gruppen, am Kindergottesdienst im Untergeschoss der Kirche teilzunehmen. Die bis zu Dreijährigen sind "die Minis", die Drei- und Vierjährigen besuchen die "Bären", die "Elefanten" werden von den Fünf- bis Siebenjährigen aufgesucht, in der "Löwengruppe" sind die Zweit- bis Viertklässler aufgehoben und die Fünft- bis Siebtklässler fühlen sich in der "Jugend" zu Hause.

Jugendpastor Scherer steht auf keiner Kanzel. Die gibt es nicht. Vorne steht er, locker und bewegt. Seine Predigt wird 30 Minuten dauern. Er fasst die Joseferzählung zusammen, damit jeder verstehen kann, worum es gleich geht. Er weist auf das Bibelstudium und die Wichtigkeit des Glaubensgrundkurses hin. "Dort lässt sich Gott entdecken. Gott ist da. Er führt uns." Scherer erzählt: "Ich habe ein Sehnsucht danach bekommen, dass Gott wieder mehr führt."

Auf Augenhöhe unter Gläubigen

Pastor Scherer duzt seine Zuhörer in der Predigt, indem er beispielsweise sagt: "Ein Leben unter Gottes Führung klingt für mich sehr attraktiv. Ich weiß nicht, wie es für Dich klingt?" Anhand dreier Impulse will er die Geschichte von Josef auslegen: "Erstens: Gottes Führung ist kein Ponyhof, zweitens: Gottes Führung ist kein Puppentheater und drittens: Gottes Führung ist da."

Jugendpastor Timo Scherer hält die Predigt.

Scherer steht vor der Gemeinde, vor ihm steht ein Notenständer, die Predigt ist auf A5-Blättern geschrieben. Wenn Gott wollte, predigt Scherer, wäre er in der Lage dafür zu sorgen, dass Menschen einfach nur Gutes tun und ihnen nur solches widerfährt. "Das ist aber nicht das Ziel Gottes. Das würde dem Menschen sehr viel Würde nehmen. Die Würde der Selbstbestimmung." Gott wolle eigenverantwortliche Kinder, die kluge und weise Entscheidungen treffen, und keine Marionetten an seinen Fäden, auch wenn es einmal die falsche Entscheidung ist. In 1Mo 50,20 heißt es: "Menschen gedachten es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut mit mir zu machen."

Manche Christen sähen als Ideal, dass Nachfolge bedeute, Gott diktiere uns jeden einzelnen Schritt. "So sieht die Führung Gottes nicht aus. Gott spielt kein Puppentheater mit uns. Gott achtet uns als Menschen, die nach seinem Bild geschaffen sind. Und er traut uns Verantwortung zu über unser eigenes Leben. […] Er will, dass wir in unserer Verantwortung wachsen. Dass wir die Konsequenzen unseres Handelns selbst bedenken. Dass wir zu Männern und Frauen Gottes werden, die verändert worden sind durch seinen Geist. […] Dass wir durch das Lesen der Bibel wissen, was gut ist, dass wir danach leben. Das wir aus der richtigen Überzeugung, richtige Entscheidungen treffen. Wenn wir Gott bitten, dass er sagen soll, was zu tun sei, wir ihn aber nicht hören, dann soll man eine eigenverantwortliche, kluge Entscheidung treffen." Pastor Scherer schlussfolgert: "Auch wenn wir es nicht immer spüren. Gott ist immer da!"

Zum Abendmahl bilden sich jeweils vier Gruppen.

Dann feiert die Gemeinde, wie jeden ersten Sonntag im Monat, gemeinsam das Abendmahl. Jeder, der an Jesus Christus glaubt, so wie die Gemeinde an ihn glaubt, ist eingeladen teilzunehmen. Die Band spielt. Viele Besucher singen: "Ich geb' mich ganz hin und sag: Ich bin dankbar. Ich geb' mich ganz hin, denn Du bist wunderbar." Rund zehn bis 15 Kirchenbesucher bilden je einen Kreis um vier Stehtische mit violetter Decke und flackernder Kerze. Die zwei mittleren Tische haben einen großen Gemeinschaftskelch, auf den beiden äußeren Stehtischen stehen kleine Becher, einer für jeden. Der Korb mit Brot macht seine Runde. "Amen." Dann wird der Kelch mit Traubensaft weitergereicht, beziehungsweise es werden die kleinen Becher übergeben. Am Schluss bilden alle einen Kreis, der sich enger zusammenschließt bis sie ihre Köpfe zusammen stecken. Sie reichen sich die Hände, bevor sie entspannt lächelnd Platz für die Kommenden machen. Die Fürbitte und der Segen folgen, kein: "Vaterunser". Das wird manchmal, aber eben nicht immer gesprochen.

Die Gemeinde wächst weiter

90 Minuten dauert der Gottesdienst. Im Anschluss können die Mitglieder im Gebetsraum für sich und andere beten lassen. Wer zum ersten Mal zu Besuch ist, erhält eine Informationsbroschüre über die Gemeinde als Geschenk. Schnell füllt sich der Aufenthaltsraum im Untergeschoss auf einen Plausch und eine Tasse Kaffee. Keiner bleibt lange allein, stets wird man angesprochen, ist miteinander im Gespräch. Ein Tischfußball steht bereit. Während die ersten Gottesdienstbesucher gehen, kommen neue Gemeindemitglieder an. 270 Mitglieder hat die FeG in Wetzlar. Für das Kirchengebäude ist sie längst zu groß. Viele bringen ihre Freunde mit. Daher kommen sonntags rund 380 Gottesdienstbesucher. Deswegen gibt einen zweiten Gottesdienst um 11.30 Uhr. Parallel zu ihm finden wieder fünf Kindergottesdienste statt.  Die FeG Wetzlar platzt aus allen Nähten und plant derzeit einen Neubau in direkter Nachbarschaft, um weiter zu wachsen.


Freikirchen: Die Herrnhuter Brüdergemeine

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Unitäts-Logo der Herrnhuter Brüdergemeine mit der lateinischen Umschrift "Vicit Agnus Noster - Eum Sequamur", zu Deutsch "Unser Lamm hat gesiegt - lasst uns ihm folgen".

Foto: PR

Unitäts-Logo der Herrnhuter Brüdergemeine mit der lateinischen Umschrift "Vicit Agnus Noster - Eum Sequamur", zu Deutsch "Unser Lamm hat gesiegt - lasst uns ihm folgen".

Die Herrnhuter Brüdergemeine ist vor allem durch ihre Losungen und leuchtenden Weihnachtssterne bekannt. Noch viel spannender ist allerdings ihre Idee von Gemeinde als Lebensgemeinschaft und vom Gottesdienst im Alltag. Infos zu Entstehung und Gemeindeleben im Rahmen der Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Die Geschichte der Herrnhuter Brüdergemeine– die alte Schreibweise ohne "d" blieb erhalten – ist fest mit ihrem Gründer Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) verbunden. Geprägt von einer tiefen lutherisch-pietistischen Frömmigkeit, wollte der Graf eine christliche Lebensgemeinschaft. Sein Wunsch wurde wahr, als 1722 evangelische Glaubensflüchtlinge aus Böhmen und Mähren, deren Überzeugungen auf den tschechischen Reformator Jan Hus (um 1369 -1415) zurückgingen, in die Oberlausitz kamen.

Zinzendorfbüste in Herrnhut.
Dort wies Zinzendorf der "Gemeinschaft von Brüdern" ("Unitas Fratrum") ein Stück seines Landgutes zwischen Zittau und Löbau in Sachsen zu. Weil die neuen Bewohner "unter des Herrn Hut" stehen sollten, nannte man den Ort "Herrnhut". Die Siedlung wurde eine "pietistische Kolonie, die schnell zum Sammelbecken frommer Seelen unterschiedlicher konfessioneller Prägung wurde", schreibt der Herrnhuter Pfarrer Peter Vogt*.

Anfangs gehörte die Siedlung zur Parochialgemeinde Berthelsdorf. Zinzendorf wollte keine Freikirche gründen, sondern in den bestehenden Kirchen wirken, doch die Gemeinschaft entwickelte ein Eigenleben mit speziellen Versammlungsformen. Zur Gemeindegründung kam es bei einer Abendmahlsfeier am 13. August 1727. Durch eine ausgeprägte Missionstätigkeit ab 1732 unter anderem in der Karibik, Mittel- und Nordamerika und Afrika umfasst die weltweite Evangelische Brüder-Unität (auch "Unitas Fratrum" oder "Moravian Church") heute 1.066.000 Menschen auf fünf Kontinenten. Sie ist in 28 selbstständige Provinzen gegliedert, für die ein gemeinsamer "Grund der Unität" gilt. Rund 16.150 Schwestern und Brüder gehören zur Europäisch-Festländischen Provinz, rund 5600 leben in Deutschland und 547 in Herrnhut.

Im Mittelpunkt des Glaubens steht Jesus Christus als Erlöser und "Hauptpunkt" (Zinzendorf) der christlichen Lehre. Persönliche Glaubenserfahrungen der Einzelnen werden sehr wertgeschätzt. Abgesehen von der ursprünglichen pietistischen Prägung lässt sich die Brüdergemeine keiner besonderen theologischen Richtung zuordnen. "Wir sind von der Theologie her mehr oder weniger evangelisch", fasst Pfarrer Peter Vogt zusammen. Die Brüdergemeine bekannte sich 1749 zur Augsburger Konfession.

Die Brüder-Unität ist presbyterial-synodal verfasst und wird kollegial geleitet. Aus der Einsicht, dass nur Christus selbst Oberhaupt der Gemeinde sein könne, wurde er per Synodenbeschluss am 16. September 1741 zum Ältesten bestimmt. Bischöfe haben vor allem seelsorgliche Funktion und ordinieren die Pfarrer, die "Gemeindiener" heißen. Das gemeinschaftliche Leben ist traditionell in Seelsorgegruppen strukturiert, die "Chöre" genannt werden (wohl von frz. "corps"). Witwen, ledige Frauen und ledige Männer wohnten anfangs zusammen, heute sind aus einigen Chören Gemeindegruppen geworden (Kinder, Jugendliche, Frauen), für die zum Teil Feste gefeiert werden (Eheleute).

Saal der Herrnhuter Brüdergemeine in Herrnhut.

Von Beginn an gehörten Geistliches und Profanes in Herrnhut zusammen. "Alles, was ein Christ tut, soll zur Ehre Gottes geschehen, Beten und Bibellesen genauso wie Kochen, Schneidern oder Holzfällen", schreibt dazu Peter Vogt, das ganze Leben ist "Gottesdienst". Deswegen gibt es sonntags keinen Gottesdienst, sondern die Predigtversammlung, dazu samstags die Singstunde. Beides findet im Saal statt, einem schlichten, meist in Weiß gehaltenen Raum. Darin befinden sich weder Altar noch Kanzel, sondern nur einen Tisch. Die Bänke sind quer ausgerichtet, um den Abstand zwischen Gemeinde und Liturg gering zu halten. Liturgen oder Gemeindiener haben keine besondere Stellung, "alles liturgische Handeln (wird) vom Glauben der versammelten Gemeinde getragen", erklärt Peter Vogt.

Nur zu den Sakramenten – Taufe und Abendmahl– tragen Liturgen weiße Talare. Getauft werden in der Regel Säuglinge, und zwar in der Singstunde. Trotz Taufe und Konfirmation können erst Volljährige Mitglied werden; von ihnen wird Verbindlichkeit in Glauben und Gemeinschaft erwartet. Das Abendmahl wird im Schnitt einmal pro Monat separat gefeiert, indem die singende Gemeinde in den Bankreihen Brot und Traubensaft empfängt. Die Art der Gegenwart Christi in den Elementen bleibt offen, im Vordergrund steht der Gemeinschaftsaspekt.

Ausschnitt aus der Singstunde in Herrnhut am 12. September 2015 zu 1. Petrus 5,7: "Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch."

Ein wesentliches Merkmal brüderischer Gemeinden ist der Gesang. In der wöchentlichen Singstunde wird ein Bibelvers singend ausgelegt, indem man einzelne thematisch passende Strophen verschiedener Lieder aneinanderreiht. 1727 erschien in Herrnhut das erste Gemeindegesangbuch mit 972 meist eigenen Liedern. Zinzendorf selbst dichtete an die 2000 Lieder, von denen heute im Evangelischen Gesangbuch unter anderem "Herz und Herz vereint zusammen" (251) und "Jesu, geh voran" (391) stehen. Auch die Losungen sind eine Erfindung von Zinzendorf; seit 1731 erscheinen sie gedruckt (heute mehr als 50 Sprachen).

Der Gottesacker in Herrnhut steht unter Denkmalschutz.

Die Brüder-Unität ist stark ökumenisch ausgerichtet. Sie ist Mitbegründerin des Weltkirchenrates (1948) und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (1948). Der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist sie vertraglich angegliedert (mit Sitz ohne Stimmrecht in Kirchenkonferenz und Synode), Doppelmitgliedschaften in einer evangelischen Landeskirche und der Brüdergemeine sind möglich. Außerdem ist die Brüder-Unität Gastmitglied in der Vereinigung evangelischer Freikirchen in Deutschland (VEF). Sie engagiert sich diakonisch und unterhält weltweit Schulen, Krankenhäuser, Pflegeschulen, Pflegeheime, Gästehäuser und Einrichtungen für Kinder.

Stirbt ein Gemeindeglied, wird bei der Beerdigung dessen selbstverfasster Lebenslauf vorgelesen und anschließend archiviert. Bestattet wird der Leichnam auf dem "Gottesacker" unter einem Grabstein, der allen anderen gleicht – als Zeichen dafür, dass es vor Gott keine Unterschiede gibt.

Blick vom Hutberg auf Herrnhut.

Jeder kennt jedes Wort

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Alte liturgische Formen und eine große Verbundenheit gehören in der SELK Verden zusammen
Kirchengemeinde beim Gottesdienst in der SELK Verden.

Foto: Cornelia Kurth

Gottesdienst in der SELK Verden: Die Gemeinde kann alle texte und Melodien auswendig.

Hier gibt es noch eine Beichte mit anschließender Handauflegung, hier wird ein Glaubensbekenntnis mit Formulierungen von 1538 gesprochen und jeden Sonntag das Abendmahl gefeiert. Der Besuch in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Zionsgemeinde in Verden hat unsere Reporterin Cornelia Kurth beeindruckt. Teil vier unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen": Eine Reportage aus der SELK.

Ist denn heute irgendein Festtag? So viele Menschen gehen auf die ungewöhnliche kleine Kirche zu, Alte und Junge, Kinder und Jugendliche, insgesamt weit über hundert, die sich untereinander begrüßen und dann durch die Kirchentür treten, über der in großen Buchstaben "Ich bin die Tür" steht. "Das ist ganz normal. Bei uns kommt immer die halbe Gemeinde zum Gottesdienst", sagt Imke Grünhagen-Voß, die Frau von Carsten Voß, dem Pastor der Zionsgemeinde im niedersächsischen Verden. "Sie sollten mal einen Festgottesdienst besuchen. Da passen wir nur mit größter Mühe alle in die Kirche."

Es ist sowieso gar nicht leicht, einen Platz auf den langen Bänken zu finden, die von keinem Mittelgang unterbrochen sind. Doch wenn man sich schließlich von rechts oder von links an den Brüdern und Schwestern vorbei gedrängelt hat, den Blick auf das überaus eindrucksvolle hohe Kirchenfenster hinter dem Altar gerichtet, wo Christus im Gegenlicht vom Kreuz herab seine Schützlinge im Blick zu haben scheint, wenn dann langsam Ruhe einkehrt, nur noch unterbrochen von mancher hellen Kinderstimme, und dann von der Empore die Posaunen erklingen und die Gemeinde einen Gesang beginnt, der klingt, als singe hier ein großer Kirchenchor, dann kann man kaum anders denken als: So, genau so muss es sein!

Dass diese mit ihren 340 Mitgliedern doch eher kleine Gemeinde so viel Gottesdienstlebendigkeit ausstrahlt, wie es sich die meisten "normalen" evangelisch-lutherischen Gemeinden nur erträumen können, hat mit ihrer Geschichte von Aufruhr und "Separatistentum" zu tun. Die Verdener Zionsgemeinde gehört zur "Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche" (SELK), die sich besagte Selbständigkeit wacker und teuer erkämpfte. Von der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts erfasst, waren es hier vor allem die Leute vom Dorfe, die sich von der Hannoverschen Landeskirche abwendeten, und damit auch vom übermächtig prächtigen Verdener Dom, der sich wie ein steinerner Riese genau gegenüber der kleinen Zionskirche erhebt.

Auch heute noch leben die meisten Gemeindemitglieder in den umliegenden Dörfern und nehmen für den Gottesdienst lange Wege auf sich. Von der gewissen Trotzigkeit, die ihre Vorfahren damals vor fast 140 Jahren zu ihrer Selbstbehauptung bewiesen haben mussten, ist im heutigen Gottesdienst allerdings nichts zu spüren. Innigkeit wäre ein passenderes Stichwort.

"Dir sind deine Sünden vergeben", hört jeder Einzelne

Jeder kennt jedes Wort des ausführlichen liturgischen Wechselgesanges zwischen Pastor und Gemeinde, jeder weiß jede Melodie der gesungenen Lieder, und laut und stark ertönt das gemeinsame Glaubensbekenntnis, das neugierigen Besuchern aus dem Dom von gegenüber wohl etwas verunsichern würde, spricht man doch die Worte des Nizänischen Bekenntnisses, das länger ist als das Apostolische, sich bewusst an der Luther-Übersetzung von 1538 orientiert und insgesamt sinnlicher wirkt durch Formulierungen wie: Christus, "welcher um uns Menschen und um unserer Seligkeit willen vom Himmel gekommen ist und leibhaft geworden durch den heiligen Geist von der Jungfrau Maria und Mensch geworden, auch für uns gekreuzigt durch Pontius Pilatus, gelitten und begraben".

Pastor Carsten Voß musste sich erst umgewöhnen, als er vor vier Jahren aus Duisburg, wo er die Ämter des Superintendenten und Propsts innehatte, die Stelle in Verden übernahm. In der Duisburger SELK-Gemeinde kamen viele Gemeindemitglieder mit ihren Partnern aus anderen evangelisch-lutherischen Kirchen zum Gottesdienst, und so entschied man sich dort für eine revidierte Fassung des Apostolischen Bekenntnisses. Tatsächlich hat Carsten Voß zu Anfang die falschen Worte gesprochen, ein Fehler, der ihm zum Glück schnell verziehen wurde.

Pastor Carsten Voß.

Überhaupt wirkt das Verhältnis zwischen Pastor und Gemeinde vertraut, manchmal auch vertraulich, was besonders deutlich wird, als er die Kinder nach vorne ruft, um sie mit einigen jungen Mitarbeiterinnen zum Kindergottesdienst im Gemeindehaus zu entlassen. Heute zeigt er den Kleinen, wie die Hirsche auf dem Bildteppich an der Kanzel niemanden aus ihrem Blick verlieren, egal, wo man sich hinstellt. Hoch interessiert probieren das die Kinder aus, bevor sie fröhlich aus der Kirche hinausstapfen, dabei oft schon eine Münze in der Hand, die sie in die Spendendose stecken werden, die gleich zu Beginn im Kinderkreis herumgereicht wird. In einer Freikirche, die sich ausschließlich von den Geldern der Mitglieder finanziert, geht ohne freudiges Spenden gar nichts.

Carsten Voß ist 50 Jahre alt und übernimmt, bei aller jugendlichen Ausstrahlung, doch auch eine Art väterliche Rolle gegenüber seiner Gemeinde, etwa in der diesem Gottesdienst vorausgegangenen Beicht-Andacht, einer Besonderheit der SELK. Etwa dreißig Menschen waren da bereits um neun Uhr gekommen, um nach einigen meditativen Worten des Pastors und dem gemeinsamen Sündenbekenntnis alle nach vorne an den Altar zu treten. "Dir sind deine Sünden vergeben", hört jeder Einzelne, während der Pastor ihm dabei seine Hand aufs Haupt legt. "Den reformatorischen Verzicht auf die Einzelbeichte haben viele durchaus als Verlust empfunden", sagt Carsten Voß. "Deshalb gibt es bei uns Beichtgottesdienste, unabhängig von den Hauptgottesdiensten mit Abendmahl. Deshalb auch diese Geste des Handauflegens, des offensichtlichen Verzeihens, zu dem der Pastor die gottgegebene Vollmacht besitzt. Wir lehren: Wo jemand seine Sünden bekämpft und bereut hat, interessieren sie Gott nicht mehr, nie mehr."

Seine Predigt ist lang. Es dürften an die zwanzig Minuten gewesen sein, angemessen in einer Kirche, die sich unter anderem deshalb gründete, weil die Menschen damals fanden: "Der Pastor glaubt ja gar nicht an das, was wörtlich in der Bibel steht." Trotz ihrer Länge kommt keinerlei Ungeduld auf. Sie wollen es eben genau wissen. Das Thema orientiert sich an Lukas 17, Verse 11 bis 19, dem Bericht davon, wie Jesus auf dem Weg nach Jerusalem durch Samarien und Galiläa zog, wo er zehn Aussätzigen Heilung verschafft. Carsten Voß spricht von gesellschaftlichen Außenseitern, von Ausgrenzungen, Hartherzigkeiten und davon, wie Christus sich der Geschundenen erbarmt. Der eigentliche Kern seiner Predigt dreht sich um die Kraft des Glaubens. Die Aussätzigen sollten sich dem Priester zeigen, obwohl sie zunächst noch gar nicht gesundet waren. Sie tun es und erweisen sich als geheilt.

Seine Predigt führt hin zum Abendmahl, das in jedem Hauptgottesdienst gefeiert wird und mit ein Grund dafür ist, dass die SELK-Gottesdienste sehr viel Zeit in Anspruch nehmen: 130 Menschen, die nach ausführlicher Liturgie vom Pastor das Abendmahl empfangen, mit dem Versprechen, dass es sich bei Brot und Wein um den "wahren Leib Christi" handele. Dieser Glaube, dass Gott im Abendmahl real präsent ist, dass das Heilige Abendmahl mehr sei als ein bloßes Gedenkmahl ist, war der Grund, warum im 19. Jahrhundert viele Gläubige nicht mitmachen wollten, als sich lutherische Kirchen mit den so nüchternen reformierten Kirchen als "Unierte" zusammenschlossen. Die Reformierten sehen in den Abendmahlselementen lediglich Zeichen für Christi Gegenwart. Am Ende der Feier in der Verdener SELK gehen Brot und Wein in die Hände eines Gemeindemitgliedes über, damit auch der Pastor sein Abendmahl empfangen kann.

Die Zionskirche in Verden.

Noch lange stehen dann Gottesdienstbesucher plaudernd vor der Kirche. Sie kennen sich alle und viele sind miteinander verwandt. Was die Glaubensinhalte betrifft, so dürfte es trotz der Unterschiede kaum Probleme geben, sich der evangelisch-lutherischen Landeskirche anzuschließen. Aber sie alle stehen hier vor "ihrer Kirche", die im Jahr 1938 vom jungen Berliner Architekten Richard Dienegott Oertwig geplant und mit Hilfe der Gemeinde gebaut wurde. Gemeindehaus und Pfarrhaus liegen auf einem schönen Stadtgrundstück, das einst von einer frommen Gräfin gespendet wurde. Auch Carsten Voß und seine Familie mit den drei Töchtern, die es erst gar nicht so leicht fanden, aus ihrer Großstadtgemeinde ins ländliche Verden umzuziehen, haben die Zionskirche und ihre Gemeinde längst als "ihre Kirche" ins Herz geschlossen.

Freikirchen: Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK)

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"SELK-Signet" von selk.de.

Foto: selk.de/Gemeinfrei/Wikimedia Commons

Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) gehört zu den konfessionellen Freikirchen, die sich im 19. Jahrhundert herausbildeten. Ihr Anliegen ist es, den alten lutherischen Bekenntnissen treu zu bleiben. Informationen über Entstehung und Glaubensinhalte der SELK im Rahmen unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Anders als manche Freikirchen, die ihre Existenz einem charismatischen Begründer verdanken, ist die "Selbstständige Evangelisch-Lutherische Kirche" (SELK) ein Zusammenschluss mehrerer lutherischer Minderheitskirchen, die ab dem Jahr 1817 vornehmlich im Nord- und Mitteldeutschen Raum entstanden. Sie spalteten sich von den lutherischen Landeskirchen ab, weil ihre Mitglieder es nicht hinnehmen wollten, dass sich die lutherischen mit den reformierten Kirchen zu "unierten" evangelischen Landeskirchen zusammenschlossen. Die älteste Vorgängerkirche der SELK war die preußische "Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche", die sich im Jahr 1830 bildete, um sich damit der staatlich verordneten und teilweise mit Gewalt erzwungenen Kirchenunion in Preußen zu widersetzen.

Was die einzelnen Minderheitskirchen miteinander verband, war der Protest gegen eine Einheitskirche, die, so meinten sie, auf eine gemeinsame Bekenntnisgrundlage verzichtete. So weigerten sie sich auch, Teil der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten EKD zu werden, sondern nahmen stattdessen den freikirchlichen, "staatsfreien" Weg auf sich, mit all den finanziellen und organisatorischen Konsequenzen, die das haben würde. 1972 entstand die SELK aus zunächst drei lutherischen Minderheitskirchen (die zuvor jeweils schon einzelne kleine Kirchen versammeln konnten), bis sich dann fast alle lutherischen Minderheitskirchen der SELK angeschlossen hatten, zuletzt nach dem Mauerfall auch die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche aus den neuen Bundesländern.

Dabei haben die einzelnen SELK-Gemeinden immer ihre jeweils eigenen Gründungsgeschichten zu erzählen. Mal waren gläubige Menschen von bibeltreuen, wundergläubigen Erweckungsbewegten fasziniert, mal stand der Widerstand gegen geänderte Bekenntnisformen im Vordergrund, oder man wollte weder akzeptieren, dass calvinistische Protestenten zur eigenen Kirche gehören könnten, noch, dass die Preußen verlangten, kirchliche Hoheitsrechte, wie etwa eine rechtsgültige Trauung, an den Staat abzutreten. Diejenigen, die sich entschlossen, eine freie lutherische Kirche zu bilden, bestanden mit ihrem Austritt aus den Landeskirchen auf ihrem Recht und ihrer Pflicht, als freie Christenmenschen nur Gott und dem eigenen Gewissen gegenüber verantwortlich zu sein.

Beichte mit Absolution, Abendmahl mit Wein

Die Bereitschaft, für das eigentlich wahre Luthertum, basierend auf den Lutherischen Bekenntnisschriften des "Konkordienbuches" von 1580, zu kämpfen und dafür oft genug als "Separatisten" verunglimpft zu werden, führte in den SELK-Gemeinden zu besonders starker Identifikation der Gemeindemitglieder mit ihrer Kirche. Bei ihnen gehört neben Taufe (normalerweise die Kindestaufe) und Abendmahl auch die Beichte zu den Sakramenten; ein nur symbolisches Abendmahlsverständnis wird eindeutig abgelehnt zu Gunsten von Luthers Verständnis der Realpräsenz, der Gegenwart von Christi Leib und Blut in Brot und Wein (und keinesfalls im Traubensaft).

So manche vor allem jüngere Pastoren wären durchaus bereit, die Leuenberger Konkordie zu unterzeichnen und damit einer Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft mit Kirchen der EKD zuzustimmen. Auch über die Zulassungen einer Ordination von Frauen wird immerhin diskutiert. Die Beichte, die im Sinne von Luthers Rechtfertigungslehre einen hohen Stellenwert in der SELK besitzt, darf nur von ordinierten Pfarrern abgenommen werden, was sowohl in speziellen Beichtandachten als auch noch in Privatbeichten geschieht. Die Absolution erfolgt durch Handauflegung des Pfarrers.

Die SELK hat zurzeit etwa 34.000 Mitglieder, die einen Kirchenbeitrag von drei Prozent des Bruttoeinkommens zahlen. Damit werden unter anderem die Stellen der Pröpste in den vier Sprengeln, die Pastoren, Diakone und Diakonissen sowie Missionsprojekte in Deutschland, Afrika und Brasilien finanziert.

Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten (STA)

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Logo Siebenten-Tags-Adventisten

Foto: www.adventist.org/Wikipedia

Die Siebenten-Tags-Adventisten (STA) glauben an die baldige Wiederkunft Jesu Christi und richten danach ihr Leben aus. Ihren Gottesdienst feiern sie am Samstag und jedem Abendmahl geht dem Beispiel Jesu folgend eine Fußwaschung voraus. Informationen über Entstehung und Glaubensinhalte der STA im Rahmen unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Der Ursprung der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten liegt im Nordamerika des frühen 19. Jahrhunderts. Die erste Generalkonferenz am 21. Mai 1863 gilt als offizielles Gründungsdatum der Freikirche, damals kamen rund 3.500 Mitglieder aus etwa 125 Gemeinden in Battle Creek im US-Bundesstaat Michigan zusammen. Heute hat sie nach Angaben des Leiters des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim, Walter Fleischmann-Bisten, rund 18,8 Millionen Mitglieder und wächst enorm: So habe sich die Zahl der STA-Mitglieder in den vergangenen 30 Jahren um ein Drittel erhöht. Einen Zuwachs gibt es vor allem in Südamerika und in Afrika. In Deutschland wurde 1875 in Wuppertal die erste Adventgemeinde gegründet, heute gibt es knapp 35.000 deutsche Mitglieder.

Als besonders bedeutend in der Frühphase der Adventisten wird das Wirken des baptistischen Farmers und Predigers William Miller (1782-1849) gesehen, der die Wiederkunft Christi für 1843 beziehungsweise später für den 22. Oktober 1844 berechnete. Die dreifache Engelsbotschaft (Offenbarung 14, 6-12) ist für die Adventisten Sinnbild der Verkündigung der Wiederkunft Christi. Aus diesem Glauben heraus ist auch der Name der Freikirche entstanden.

Aufgrund der Erwartung Christi – wenngleich dies heute nicht mehr mit einem genauen Datum verbunden ist – pflegen die Adventisten zumeist einen gesunden Lebensstil. Schädliche Einflüsse sollen vom Körper ferngehalten werden, weshalb die Gläubigen dem Alten Testament folgend kein Schweinefleisch essen. Viele sind vollständige Vegetarier, verboten sind in der Regel auch Nikotin und Alkohol. Beim Abendmahl wird deshalb auch Traubensaft anstelle von Wein ausgegeben.

Eigene Schulen ohne Samstagsunterricht

Neben William Miller ist die frühe Prophetin Ellen Gould White (1827-1915) von großer Bedeutung für die Adventisten. Sie sah in einer Version die Gesetzestafeln im himmlischen Heiligtum, wobei das Gebot "du sollst den Sabbat heiligen" in leuchtenden Buchstaben hervorstach. Ihre Schriften werden stark verehrt – mit ein Grund dafür, dass die Siebenten-Tags-Adventisten bis vor mindestens 30 Jahren und mitunter auch heute noch als Sondergemeinschaft beziehungsweise als Sekte bezeichnet werden. Zu Unrecht, wie der Theologe Walter Fleischmann-Bisten meint. Die Schriften Whites stünden zwar hoch in Achtung, trügen aber eher einen Status wie die Bekenntnisschriften in der evangelisch-lutherischen Kirche. Die Adventisten hätten "nie andere Offenbarungsquellen als die Bibel" gehabt und seien zudem seit vielen Jahrzehnten am ökumenischen Dialog interessiert, so der Experte.

Unbestreitbar unterscheiden sich die Adventisten allerdings durch die Heiligung des Sabbats von anderen christlichen Gemeinden. In Zeiten, in denen die Gesellschaft in Deutschland noch keine Fünf-Tage-Woche kannte, wurden die Adventisten damit automatisch zu Außenseitern. Damit ihre Kinder am Samstag nicht die öffentlichen Schulen besuchen mussten, gründeten sie selbst etliche Bildungseinrichtungen, weltweit sind es heute mehrere Tausend Schulen und einige Dutzend Hochschulen. Nahe Magdeburg wurde 1899 die Theologische Hochschule Friedensau gegründet.

Im Gemeindeleben der Adventisten nimmt das Bibelstudium einen großen Raum ein und ist sogar regulärer Teil des samstäglichen Gottesdienstes. In vielen Gemeinden setzen sich die Gläubigen dabei in kleineren Gruppen zusammen und sprechen über ausgewählte Texte der Heiligen Schrift. Das Abendmahl wird nicht in jedem Gottesdienst gefeiert, sondern nur etwa vier Mal im Jahr. Ihm geht eine Fußwaschung voraus, die Gemeindeglieder untereinander vornehmen.

Frauen nicht in leitenden Ämtern

Getauft werden keine Säuglinge oder Kinder, das eigene Bekenntnis steht für die Adventisten im Mittelpunkt. Beim Taufakt selbst wird der ganze Körper untergetaucht. Fleischmann-Bisten zufolge gibt es bei den Adventisten theoretisch auch die Möglichkeit der Wiedertaufe, wenn sich ein Mensch in seinem Leben komplett von Gott abgewandt hatte und sich neu bekehrt. Allerdings werde die Wiedertaufe in den westlichen Regionen nicht praktiziert. Es solle solche Fälle aber in Afrika gegeben haben, sagt der Theologe.

Die Bibel nehmen die Adventisten wörtlich und sind nach Einschätzung von Fleischmann-Bisten "sehr fromme Leute". Als problematisch empfindet der Experte, dass zahlreiche Vertreter der Freikirche auch die Schöpfungsgeschichte wörtlich nehmen. Außerdem gebe es derzeit innerhalb der Kirche auch Auseinandersetzungen über die Ordination von Frauen: So sei diese erst im Sommer 2015 bei der Weltsynode in den Vereinigten Staaten erneut abgelehnt worden. Frauen bei den Siebenten-Tags-Adventisten dürfen nach einem Theologiestudium zwar als Pastorinnen "gesegnet" werden und sind dann damit beauftragt, Amtshandlungen wie Taufe, Abendmahl, Trauung oder Beerdigung vorzunehmen. Doch diese Vollmacht ist örtlich begrenzt, und auch "leitende Ämter" dürften die gesegneten Pastorinnen dennoch nicht übernehmen, erklärt Fleischmann-Bisten. Der Streit über dieses Thema ist nach seiner Einschätzung noch nicht beendet.

Abendmahl mit sauberen Füßen

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Fußwaschung in der Adventisten-Gemeinde in Leipzig.

Foto: Luise Poschmann

Fußwaschung in der Adventisten-Gemeinde in Leipzig.

Das Abendmahl feiert die Adventisten-Gemeinde in Leipzig nur einmal im Quartal. Zu aufwendig wäre sonst jeder Gottesdienst, denn die Gläubigen waschen sich vor der Verteilung von Brot und Traubensaft gegenseitig die Füße. Ein besonderer Moment, wie der Erlebnisbericht aus dem Leipziger Adventhaus in unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen" zeigt.

Wenn im Adventhaus in Leipzig die ersten Gläubigen zum Gottesdienst kommen, sind in der Nachbarschaft schon einige andere zum Wocheneinkauf unterwegs. Denn nicht am Sonntag, sondern am Samstag – dem für sie heiligen Sabbat – feiern die Angehörigen der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten (STA) ihren Gottesdienst. Die Straßenbahn ruckelt immer mal wieder gemütlich vor dem Haus vorbei; nach und nach strömen immer mehr Menschen in das villenähnliche Gebäude im Leipziger Westen. Die Glocken läuten nicht, doch die Gläubigen finden selbstverständlich ihren Weg.

An der Eingangstür werden alle Gottesdienstbesucher an diesem Samstagmorgen von Frank Schosnig mit Handschlag begrüßt. Er ist in der Gemeinde mit für die diakonischen Aufgaben zuständig. Alle, die durch die Tür kommen, duzen sich – "Wir sind doch Geschwister im Glauben", erklärt eine junge Frau im Vorbeilaufen. Sie ist in Eile, denn sie ist schon etwas spät dran für den Gottesdienst. Der beginnt pünktlich um 9.30 Uhr.

Frische Luft nach dem Bibelgespräch 

Die Sonne kämpft sich durch den Morgennebel und scheint durch die Buntglasfenster des Kirchenraums im ersten Stock des Gebäudes. In einem leichten Halbkreis haben sich die Besucher versammelt, es sind mehrere Hundert Menschen, darunter auch viele Kinder und junge Erwachsene.

Im ersten Teil des Gottesdienstes wird der Herr gepriesen, mit Liedern, Gebeten, Orgel- und Klavierspiel. Psalm 98 wird verlesen, "Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er hat Wunder getan". Zur Musik erhebt sich die Gemeinde; klar und deutlich erklingen die Zeilen, denn fast alle singen mit.

Gottesdienst in der Adventisten-Gemeinde in Leipzig. Unter den Stühlen stehen Schüsseln für die Fußwaschung bereit.

Nach etwa 20 Minuten beginnt ein Bibelgespräch, das Teil des Gottesdienstes ist. Normalerweise werden dafür die Stühle im Saal verrückt, sodass sich gemütliche Gruppen ergeben. Doch da heute Abendmahl gefeiert wird und der Gottesdienst so schon mehr als zweieinhalb Stunden in Anspruch nimmt, wird eine kleine Variante gewählt: Der Bibelschulleiter gibt Impulse, stellt Fragen und leitet das Gespräch. Jeder darf sich mit seinen Gedanken beteiligen, doch einige hören lieber nur zu. Die Grundlage bieten eine Bibelstelle und ein begleitender Text aus einem Studienheft, das für Siebenten-Tags-Adventisten-Gemeinden in mehreren Sprachen herausgegeben wird.

"Aus Krisen lernen", lautet der Titel im Abschnitt dieser Woche, er ist aus dem "Jeremias"-Heft entnommen. Die Gemeindeglieder erzählen, was sie persönlich mit Krisen verbinden ("Stress" oder "aus der Ordnung gefallen" oder "führungslos"), und verknüpfen ihre Erfahrungen mit theologischen Bezügen. Einige sprechen wie aus dem Bauch heraus, andere sind nachdenklicher. Das Bibelgespräch endet mit einem Lied, dem Einsammeln der Kollekte und einem Gebet. Danach werden die Fenster aufgerissen. Eine Pause.

Stimmengewirr füllt wieder den Saal, einige Menschen kommen auch erst zu dem zweiten Teil des Gottesdienstes. Die weit geöffneten Fenster geben den Blick auf große Laubbäume im Hof des Hauses frei. Der Raum wirkt offen, die Gläubigen gelöst und doch in erwartungsvoller Anspannung. Nun füllen sich auch die letzten, zuvor noch leer gebliebenen Stühle.

Um halb elf werden die Gemeindeglieder erneut begrüßt, außerdem gibt es noch Hinweise zu der Abendmahlsfeier. Üblicherweise ist dies der Zeitpunkt für die "lebendige Gemeinde", bei der ganz offen über alle möglichen Dinge gesprochen wird, die einen in der vergangenen Woche beschäftigt oder belastet haben. Aber auch freudige Neuigkeiten oder Gedanken zur Bibel und zum Glauben werden an dieser Stelle sonst vor der Gemeinde vorgetragen. Doch wegen des Abendmahls wird darauf verzichtet, es geht weiter mit den Ansagen zur Chorprobe oder der Gebetsstunde.

Ein Gebet, ein Lächeln, eine Umarmung

Zwei neue hauptamtliche Mitarbeiter der Gemeinde werden begrüßt, Pfarrer Norbert Gelke spricht persönliche Worte und gibt der künftigen Bibelarbeiterin und dem Referenten für Jugendarbeit ein Bibelwort mit auf den Weg: "Niemand verachte deine Jugend; sondern sei ein Vorbild den Gläubigen im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Geist, im Glauben, in der Keuschheit." Die neuen Mitarbeiter werden gesegnet, es erklingt ein Lied zum Sabbat. Darauf folgt ein Moment des stillen Innehaltens.

Pastor Norbert Gelke

Die Predigt widmet Pfarrer Gelke anlässlich des "Jahres der Dankbarkeit" den vielfältigen Aspekten des Dankes. Er spricht verständlich, lässt ebenso persönliche Erinnerungen wie biblische Geschichten einfließen. "Dankbarkeit ist für Jesus eine Selbstverständlichkeit, eine natürliche Reaktion auf das Gute in unserem Leben", sagt der Pfarrer. Doch heute sei die Dankbarkeit oft ein wenig "aus der Mode geraten", viele Menschen nähmen die guten Dinge in ihrem Leben als selbstverständlich hin. Die Predigt des Pfarrers wird unterbrochen von dem bekannten Kirchenlied "Danke für diesen guten Morgen".

Ein Orgelspiel schließt die Predigt ab, dann folgt die Einleitung zum Abendmahl, das nur einmal im Quartal gefeiert und von den Gemeindegliedern daher besonders erwartet wird. Pfarrer Gelke liest aus dem Kapitel 13 des Johannes-Evangeliums, wo beschrieben wird, wie Jesus seinen Jüngern die Füße wusch: "Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe". Diese Worte nehmen die Siebenten-Tags-Adventisten sehr ernst, weshalb dem Abendmahl in ihren Gemeinden stets eine Fußwaschung vorausgeht.

Plötzlich ist wieder viel Bewegung in der Kirche. Männer und Frauen nutzen für die Fußwaschung unterschiedliche Raumteile, die mit einem Sichtschutz getrennt werden. Immer zwei Gläubige oder kleinere Gruppen finden sich an den großen, mit Wasser gefüllten Plastikschüsseln zusammen. Für viele ist die Fußwaschung ein äußerst inniger Moment. Eine Tochter kniet minutenlang vor den entblößten Füßen ihrer Mutter; beide in ein Gebet versunken. Zwei ältere Frauen halten sich an den Händen und blicken sich für ganze Weile nur stumm, aber lächelnd an. In anderen Gruppen geht es heiterer zu, viele lachen und umarmen sich immer wieder. Auch der ein oder andere Seidenstrumpf wird manchmal mitgewaschen. Für die Fußwaschung nimmt sich die Gemeinde viel Zeit. Keiner bleibt allein, dafür sorgen Helfer, die auch Handtücher dabei haben. Die Fußwaschung endet mit einem Segenslied, wofür sich die Gläubigen in einem großen Kreis aufstellen und an den Händen halten.

Nach dem darauf folgenden Auftritt des Chores wird das Abendmahl in Form von ungesäuertem Brot und Traubensaft verteilt. Die Gemeindeglieder stehen dazu in Reihen auf. Nach dem Abendmahl erfolgt erneut ein Lied, dann wird das "Vater Unser" gesprochen. Nach dem Segen und einem Orgelspiel endet der zweieinhalbstündige Gottesdienst. Jeder wird erneut mit Handschlag verabschiedet, bevor er aus dem Kirchengebäude in den sonnigen Herbsttag hinaustritt.

Was haben die Protestanten jemals für uns getan?

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Lutherdenkmal vor der Marktkirche in Hannover.

Foto: fotolia/nmann77

Lutherdenkmal vor der Marktkirche in Hannover.

"Was haben die Protestanten jemals für uns getan?" haben wir scherzhaft in unserem Video zum Reformationstag 2015 gefragt. Die Antworten erklären wir hier ein bisschen genauer - für alle, die wissen wollen, was uns die Reformation über die Jahrhunderte hinweg gebracht hat.

Demokratie in der Kirche

Die protestantischen Kirchen in Deutschland sind sämtlich demokratisch verfasst. Es wird keine Entscheidung "von oben" getroffen, sondern letztlich immer von den Gemeinden vor Ort. Nach einem ähnlichen Prinzip wie die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik Deutschland werden Angelegenheiten auf mehreren Ebenen und durch mehrere gewählte Parlamente geregelt. Angefangen beim Kirchenvorstand beziehungsweise dem Kirchengemeinderat, in Kreissynoden, Landessynoden und schließlich der Synode des Zusammenschlusses der verschiedenen Landeskirchen, der Evangelischen Kirche in Deutschland, der EKD. Die sogenannten Freikirchen, also die nicht verfassten Kirchen nehmen es mit der Basisdemokratie noch genauer. Hier entscheidet ausschließlich die Gemeinde vor Ort darüber, wer hier Pfarrerin oder Pfarrer wird, oder wie die Geldmittel der Gemeinde ausgegeben werden.
Jede Form von Demokratie braucht Geduld und ein großes Maß an Verantwortungsgefühl aller, die an ihr mitwirken. Schon mit 14 Jahren kann jeder getaufte und konfirmierte Protestant die Gremien wählen, oder sich bereits in solch ein Gremium wählen lassen, das über die Richtung entscheidet, in die seine Kirche steuert. Hier gibt es weitere Informationen dazu, wie die evangelische Kirche in Deutschland verfasst ist. (Frank Muchlinsky)

Kirchenmusik

Mit Martin Luther wird nicht nur die Bibel verständlich. Auch als genialer Liedschöpfer spricht er die Sprache der Gläubigen und bedient sich ihrer Melodien. Die bahnen ihm den Weg nicht nur in die Köpfe, sondern auch ins Gemüt der Menschen. Die deutschen Kirchenlieder werden zu einem Grundstoff der jungen evangelischen Kirchenmusik. Ein anderer ist die musikalische Rhetorik, die Heinrich Schütz (1585-1672) und seine Zeitgenossen im aufblühenden Barock entwickelten: Sie übersetzt das Bibelwort in Töne, steigert es zugleich im Ausdruck und fügt ihm jenen Schuss Transzendenz hinzu, der unsagbar ist. Musik wird Klangrede, sicher in Dramatik und Aufbau, im Gebrauch der Affekte wie eine gut gemachte Predigt. Die Verbindung von Sprache und Musik wird durch die Reformation innig und eindrücklich – zwei gleichwertige Sphären, die sich gegenseitig inspirieren und heben. Diese damals neue Verbindung von Sprache und Musik, besonders nachdrücklich gepflegt von Johann Sebastian Bach, bleibt der Hauptcharakterzug evangelischer Kirchenmusik bis heute. (Jörg Echtler)

Diakonie

"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" Dieser Satz Jesu galt natürlich schon von Anfang an im Christentum. Die "tätige Nächstenliebe", die "Diakonia", war einer der Hauptgründe dafür, dass sich das Christentum in der Antike so schnell ausbreiten konnte. Je mehr weltliche Macht die Kirche im Laufe ihrer Geschichte einsammelte – und dazu die entsprechenden finanziellen Güter –, desto mehr verkam diese Nächstenliebe zu bloßen Almosen. Ein evangelischer Pfarrer namens Johann Hinrich Wichern entdeckte die tätige Nächstenliebe erneut als eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche und aller ihrer Gläubigen. Das geschah im ausgehenden 19. Jahrhundert, also in einer Zeit, in der der Kirche durch die aufkommende Arbeiterbewegung eine kräftige Konkurrenz entstand. Wichern war bewusst, dass der Kirche die Gläubigen weglaufen würden, wenn die sich nicht stärker sozial engagieren würde. Er schaffte es, genügend Geld und engagierte Menschen für diverse Projekte zusammenzubekommen. So entstand in einer Welt, die sich mehr und mehr differenzierte, eine starke protestantische Stimme für die soziale Gerechtigkeit und ein großes Netzwerk an echter Nächstenliebe. Hier können Sie einen Ausschnitt aus der Arbeit der Diakonie entdecken. (Frank Muchlinsky)

Aufklärung

Die Aufklärung als historische Epoche von der Mitte des 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ist keine unmittelbare Folge der Reformation. Aber zwischen den Ideen der Renaissance-Humanisten vom ausgehenden 11. bis zum 15. Jahrhundert, der Reformation im 16. Jahrhundert und der Aufklärung des 17. Jahrhunderts lässt sich eine durchgehende Verbindung ziehen, unter anderem geprägt vom Blick auf den Menschen als selbstbestimmt handelndes Wesen und von dem Willen, "ad fontes" (zu den Quellen) zu gehen - nach Möglichkeit auf die Original-Texte zuzugreifen. Sowohl die Neuübertragung der vorhandenen griechischen Bibeltexte durch Erasmus von Rotterdam als auch Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche folgten diesem Prinzip. In theologischen Fragen blieben der Reformator Luther und der Katholik Erasmus allerdings zerstritten. Der friesische Reformator Johannes a Lasco hingegen war einer von Erasmus' Schülern. In der "Volksaufklärung" des 18. Jahrhunderts spielten auch protestantische Pfarrer eine wesentliche Rolle, unterstützt von dem Vorbild der Lutherbibel in Volkssprache. Aufklärung und Reformation sind im 16. und 17. Jahrhundert untrennbar miteinander vermischt. In Immanuel Kants berühmten Satz: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen", klingt auch Luthers "Freiheit eines Christenmenschen" wider (mehr dazu siehe weiter unten). (Hanno Terbuyken)

Abendmahl (und Wein) für alle

In der katholischen Kirche war es bis ins Mittelalter üblich, dass Priester und Gemeinde die Kommunion in Brot und Wein empfingen. Die Ehrfurcht vor der Gegenwart Christi führte aber dazu, dass die Kelchkommunion außer Gebrauch kam – aus übertriebener Vorsicht. Das Konzil von Konstanz (1414-18) vertrat die Ansicht, Christus sei auch in nur einem der beiden Abendmahlselemente ganz gegenwärtig. Letzterem widersprach Martin Luther zwar nicht, fand aber, es sei "gottlos und tyrannisch" von der Kirche, "den Laien das Abendmahl in beiderlei Gestalt zu verwehren". Immerhin habe Christus geboten: "Trinket alle daraus" (Mt 26,27). 1521 feierte der Reformator Andreas Karlstadt in Wittenberg demonstrativ einen Gottesdienst mit Brot und Wein für alle. Die Kelchkommunion wurde zum Unterscheidungsmerkmal zwischen den Konfessionen – und bleibt es offenbar, auch wenn die katholische Kirche sie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) erlaubt. Ein praktisches Problem, das durch den Trend zum Eintunken verschärft wird,  könnte Priester vom Spenden der Kelchkommunion abhalten, sagt der Liturgiewissenschaftler Jürgen Riegel: Konsekrierter Wein, der übrig bleibt, muss ausgetrunken werden. (Anne Kampf)

Bibeln auf Deutsch

Martin Luthers vielleicht größte kulturelle Leistung war die Übersetzung der Bibel in die Volkssprache. Weil es vor der Reformation nur Bibeln auf Latein oder Griechisch gab, blieb das Wort Gottes den meisten Menschen ein verschlossenes Buch. Sie waren darauf angewiesen, die biblischen Geschichten von den Priestern zu hören. Zwischen 1521 und 1534 übersetzten Luther und weitere reformatorische Mitstreiter wie Philipp Melanchthon die komplette Bibel ins Deutsche und brachen damit das Informationsmonopol der Priesterschaft. Der Buchdruck mit beweglichen Lettern, um 1450 von Johannes Gutenberg erfunden, trug seinen Teil zur Verbreitung des Wortes bei, denn Bibeln und religiöse Schriften - darunter auch Ablassbriefe! - gehörten zu den am häufigsten gedruckten Werken aus der Anfangszeit des Buchdrucks. Von Luther stammt der berühmte Ausdruck, man müsse "dem Volk aufs Maul schauen", wie er in seinem Sendbrief vom Dolmetschen schreibt: "Man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen."(Hanno Terbuyken)

Frauenordination

"Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, [...] sondern sie sei still", heißt es im 1. Timotheusbrief (2,12). Außerdem habe Jesus nur Männer zu Aposteln berufen, so die Haltung der katholischen Kirche. Dass es in den evangelischen Landeskirchen in Deutschland heute Pfarrerinnen gibt, hat vor allem gesellschaftliche Gründe: Während des Zweiten Weltkrieges vertraten Vikarinnen vielerorts fehlende Pfarrer; sie tauften, predigten und teilten das Abendmahl aus, obwohl sie es nicht durften. 1958 trat in Deutschland das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Kraft, und in den 50er und 60er Jahren führten die meisten Landeskirchen die Frauenordination ein. Vollkommen gleichberechtigt mit männlichen Kollegen sind Pfarrerinnen in der EKD seit 1978 (in Schaumburg-Lippe erst seit 1991). Theologisch lässt sich die Frauenordination mit einer grundlegenden Stelle aus dem Galaterbrief (3,28) begründen: "Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus."(Anne Kampf)

Weiterführende Links:
http://alt.ikvu.de/html/archiv/ikvu/frauenordination/rogge-frauenordination.html
https://www.ekd.de/bevollmaechtigter/stellungnahmen/52400.html

Freiheit

"Von der Freiheit eines Christenmenschen" heißt Luthers Streitschrift von 1520, die der Reformator mit dem berühmten Doppelsatz einleitete: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan." Luthers revolutionäre Idee war, dass die Menschen sich die Gnade Gottes nicht verdienen müssen, zum Beispiel durch gute Werke oder Ablässe. Christen müssen sich also nicht auf das Erlangen von Gottesgnade konzentrieren, sondern haben den Kopf frei für sich und ihre Mitmenschen. Das meint er mit dem Doppelsatz: Auf der einen Seite muss sich ein Christ nicht starren Glaubensregeln unterwerfen, denn der Glaube allein ist "die Gerechtigkeit der Menschen und aller Gebote Erfüllung", schreibt Luther. Auf der anderen Seite folgen die guten Werke auf die Erfüllung des Glaubens, und das macht den Menschen zum "dienstbaren Knecht aller Dinge". Luther fasst es selbst so zusammen: "Das ist die christliche Freiheit, der alleinige Glaube, der macht, dass wir nicht müßig gehen oder Übles tun wollen, sondern dass wir keines Werks bedürfen, um Gerechtigkeit und Seligkeit zu erlangen." Freiheit und die daraus resultierende Verantwortung spielen seitdem im Protestantismus eine ganz große Rolle. Wer selbst beim Reformator nachlesen will, findet die hochdeutsche Version von Luthers "Von der Freiheit eines Christenmenschen" hier. (Hanno Terbuyken)


Wenn Sie übrigens nach unserem Video dachten: Ja, eigentlich könnte man ja wieder in die Kirche eintreten, können Sie sich an die Wiedereintrittsstelle der evangelischen Kirche oder an ihren Pfarrer oder ihre Pfarrerin vor Ort wenden!

Ökumene-Institut begrüßt Papst-Aussagen zur Abendmahlsteilnahme

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Nach dem Papstbesuch in der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom sieht das Konfessionskundliche Institut Fortschritte in Richtung gemeinsames Abendmahl. Die Aussage von Franziskus "Sprechen Sie mit dem Herrn, und schreiten sie voran" könne als Aufruf zum "konfessionellen Ungehorsam" und zum wechselseitigen Besuch des Herrenmahls verstanden werden, sagte Paul Metzger, Ökumene-Experte des evangelischen Institutes am Donnerstag in Bensheim.

Danach sei die Selbstprüfung des Einzelnen für die Abendmahlsteilnahme in Ausnahmefällen das entscheidende Kriterium und nicht der Gehorsam gegenüber die kirchlichen Lehre.

"Der lange schon geforderten eucharistischen Gastfreundschaft ist damit auf der Ebene persönlicher Entscheidung die Tür weit geöffnet worden", folgerte der Theologe Metzger. Mit seinen Äußerungen bei dem Besuch am Sonntag bestätige der Papst, dass die Taufe als das "sakramentale Band der Einheit" als Voraussetzung für die gegenseitige Gastfreundschaft bei der Mahlfeier ausreiche. Im der lutherischen Christuskirche hatte der Papst im Hinblick auf die Abendmahlsteilnahme konfessionsverschiedener Paare auf die freie Gewissensentscheidungen verwiesen. Das Leben sei "größer als Interpretationen", sagte er. Beide Konfessionen teilten die gleiche Taufe. Jeder müsse für sich eine Antwort finden. "Ich werde es nie wagen, es zuzulassen, denn das liegt nicht in meiner Kompetenz", ergänzte das Oberhaupt der katholischen Kirche.

Der Papst habe nichts Neues gesagt, sondern sich auf das Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils bezogen, folgerte der Direktor des katholischen Adam-Möhler-Instituts, Wolfgang Thönissen. Die katholische Kirche habe schon immer gesagt, dass bei einzelnen Gläubigen in gemischt-konfessionellen Ehen, in besonderen Notsituationen oder bestimmten Weltregionen der Zugang zur Eucharistie möglich sei.

Entscheidend sei dabei das Gewissen, das allerdings nicht über dem Dogma stehe, sondern "Vollzugselement" der katholischen Glaubenslehre sei. Wenn beide Partner einer konfessionsverschiedenen Ehe "eine tiefe Gemeinschaft im Glauben" teilten, bestehe die Möglichkeit des gemeinsamen Kommunionempfangs, sagte Thönissen dem Internetportal "katholisch.de". Da sei man auf die Gewissensentscheidung des Einzelnen angewiesen, an die der Papst erinnert habe. "Evangelische Gläubige in einer gemischt-konfessionellen Ehe sollen am Sonntag am Tisch des Herrn nicht abgewiesen werden", sagte der katholische Ökumene-Experte über die Praxis.


Vollkommen frei: Die Mennoniten in Hamburg

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Gottesdienst in der Kirche der Mennoniten in Hamburg-Altona.

Foto: Mechthild Klein

Gottesdienst in der Kirche der Mennoniten in Hamburg-Altona.

Die Kirchen der Mennoniten sind traditionell schmucklos, oft sogar ohne Kreuz. Namensgeber der evangelischen Freikirche ist der friesische Täufer Menno Simons (1496-1561). Die freiheitsliebenden Gemeinden legen Wert auf das Wort Gottes und auf eine friedliche Gesinnung. Für unsere Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen" hat Mechthild Klein am Ewigkeitssonntag an einem Gottesdienst in Hamburg-Altona teilgenommen.

Schlicht wirkt die Kirche der Mennoniten in Hamburg-Altona von innen. Abgesehen von einem Blumengesteck ist der Raum schmucklos, lediglich vier alte Ölporträts an den Seitenwänden zeigen die bekannten Prediger der Gemeinschaft. In der Mitte des Chorraums, wo in anderen Kirchen der Altar steht, blicken die Mennoniten auf eine erhöhte Holzkanzel. Denn die Predigt und das Wort Gottes stehen im Zentrum der ältesten evangelischen Freikirche der Reformation, die einst aus der Täuferbewegung hervorging.

Ungewohnt für Außenstehende ist die Aufteilung des Chorraums. Rechts und links neben der Kanzel sitzen die ehrenamtlichen Prediger und die gewählten Vertreter des Kirchenrats. Bei den Mennoniten wird vieles "basisdemokratisch" entschieden, zum Beispiel ob der Pastor und die ehrenamtlichen Prediger und Kirchenräte weitere sieben Jahre den Dienst in der Gemeinde versehen sollen oder nicht. Oder für welche Hilfsprojekte sich die Kirche engagiert. Mennoniten pflegen ihren "antiklerikalen Charakter", erläutert Pastor Bernhard Thiessen die Strukturen seiner Gemeinschaft, es gibt keine Hierarchie der Ämter.

Langsam füllen sich die Bänke. 60 von insgesamt 384 Gemeindegliedern kommen an diesem Ewigkeitssonntag. Viele reisen aus entfernten Stadtteilen oder dem Umland an, sie werden in diesem Gottesdienst ihrer Verstorbenen gedenken. Der Organist begleitet das Kirchenlied "Wachet auf, ruft uns die Stimme" von Philipp Nicolai aus dem Jahr 1598. Die fröhliche Melodie unterstreicht die Hoffnung auf Auferstehung. Der alte Text kündet von der mystischen Hochzeit Christi mit der menschlichen Seele, dargestellt im Sinnbild der Jungfrau, die auf den Bräutigam wartet. Mit einem Lichterritual wird das Gedenken gestaltet. Zu jedem vorgelesenen Namen eines Verstorbenen gehen Angehörige nach vorne und zünden eine Kerze an. Am Ende leuchten mehr als 20 Lichter, nicht nur für die Toten der Gemeinde. Auch für alle anderen Toten, die Opfer von Attentaten und auch die Täter. Mennoniten betonen Christi Ideal der Feindesliebe - allerdings muss jeder für sich entscheiden, was das konkret bedeutet.

Auferstehungs-Theologie mit Eberhard Jüngel und Bob Marley

Thema der Lesung sind zwei Paulusbriefe aus dem Neuen Testament (Römer 6,1-11 und 8,38-39; 1. Korinther 15,35,42-44, 55-57), keine leichten Texte: Es geht um die Auferstehung. Pastor Thiessen steigt auf die Kanzel. 20 Minuten lang spricht er über die Entwicklung des Auferstehungsgedankens, angefangen vom Scheol (Schattenreich) aus der hebräischen Bibel bis zur Auferstehungstheologie des Apostels Paulus. Erst im 2. Jahrhundert vor Christus erstarkte im Judentum die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, das Gerechtigkeit und einen Ausgleich verspricht für die Leiden in der Welt. Thiessen ist seit 14 Jahren gewählter Pastor der Gemeinde, er probiert gerne neue Gedankengänge aus.

Pastor Bernard Thiessen

So zitiert er zum Beispiel auch Bob Marley und Woody Allen. Die Auferstehungsgeschichte muss nicht bitterernst vorgetragen werden, findet Thiessen. Die Betonung legen Mennoniten ohnehin aufs Diesseits. Es gibt eine Hoffnung, sagt der Pastor. Es ist "die Beziehung Gottes zum Menschen" und dass "Gott den Menschen auch im Tod nicht verlässt". Er baut Gedanken aus der Theologie Eberhard Jüngels aus Tübingen ein: "Tod bedeutet Beziehungslosigkeit." Und Sünde ist keine moralische, sondern eine theologische Kategorie: Sünde heißt, Gott und damit sein Lebensziel zu verfehlen. Im Umkehrschluss bedeutet das: "Durch Jesu Christus sind wir in Ewigkeit mit Gott in Beziehung. Deshalb können wir Jesus nachfolgen und nach seiner Gerechtigkeit suchen."

Es bleiben Fragen, die die Theologie nicht erklären kann. "Wie Gott mit der Trennung von Person und Tat am Ende umgeht - diese Gedanken müssen wir noch mehr vertiefen", schließt der Pastor. Dennoch brauche niemand Angst vor dem Tod und der Ewigkeit zu haben. "In der Taufe und in der Beziehung zu Gott bist du hineinversenkt und herausgehoben, so dass du nicht ins ewige Nichts fällst, sondern mit Gott in Jesus Christus verbunden bleibst." Nach so viel geistiger Nahrung braucht die Gemeinde ein Orgellied zum Verschnaufen.

Weil Totensonntag ist, feiert die Mennonitengemeinde in Altona das Abendmahl. "Ein seltenes Ereignis, was nur drei bis fünf Mal im Jahr an hohen Feiertagen stattfindet", erläutert Kirchenvorsteher Thomas Schamp. Das Abendmahl ist wie bei den reformierten Christen als Erinnerungsmahl zu verstehen. Ausdrücklich wird niemand vom Mahl ausgeschlossen. Der Pastor und die ehrenamtlichen Helfer versammeln sich um den kleinen Tisch mit Traubensaft und Brot. Beim Abendmahl geht es um die Verbundenheit mit Jesus Christus und der Gemeinde untereinander. Thiessen betet: "Guter und barmherziger Gott (...), sende du uns und deiner ganzen Welt deinen heiligen Geist, dass er uns hilft, einander anzunehmen, wie du uns angenommen hast in deinem Sohn. Das Brot verbinde uns untereinander mit deiner Liebe und deinem Leben, die Frucht des Weinstocks stärke uns untereinander mit dem Leiden und dem Sterben deines Sohnes." Die Einsetzungsworte besagen, dass das Mahl zum Gedächtnis an das letzte Abendmahl Jesu geschieht. Die Helfer reichen Brotstücke und die Kelche mit Traubensaft von Bank zu Bank. Alles geschieht schweigend.

Nach Vaterunser, Segen und Abschlusslied trifft sich die Gemeinde noch zum Kaffee im Nebenraum. Was lebhaft genutzt wird - an diesem Tag auch, um den Gottesdienstabauf zu reflektieren: Ja, es gibt Unterschiede zum lutherischen Ablauf. Es wird kein Sündenbekenntnis und kein Glaubensbekenntnis gesprochen und doch ist dies deutlich eine evangelische Tradition. Mennoniten sind in ihrer Liturgie völlig frei.

Alte Gemeinde auf St. Pauli

Die Hamburger Gemeinde gibt es seit mehr als 400 Jahren. Als die Gläubigen aus Friesland und Amsterdam fliehen mussten, kam auch Menno Simons nach Holstein, zwei Tagesmärsche nördlich von Hamburg. In der Hansestadt waren die ersten Mennoniten zunächst Walfänger, später Händler und Reeder. Sie hielten an ihrem Glauben fest und 200 Jahre lang wurde im Gottesdienst nur niederländisch gesprochen. Heute stammt ein Teil der Gemeinde aus der Weichselgegend in Polen, wohin ihre Mennonitenvorfahren aus Holland geflohen waren.

Vor den Toren Hamburgs, an der Großen Freiheit in St. Pauli, stand zuvor ihr Kirchlein. Doch vor 100 Jahren wollte die wohlhabende Gemeinde raus aus dem Rotlichtviertel. Zuviel Schankwirtschaft vor den Türen, das gefiel den Mennoniten nicht. Die Stadt bot ein Grundstück zum Tausch an. In Altona sollte ein schmuckes Villenviertel entstehen, doch daraus wurde nichts. Die damals wohlhabende Gemeinde baute zwar eine schöne Backsteinkirche, doch die Gegend entwickelte sich zu einem eher schlichteren Wohngebiet.

Gegenüber der Altonaer Mennonitenkirche entstand zeitgleich vor 100 Jahren die evangelisch-lutherische Pauluskirche. Über die Jahre entwickelte sich eine gelebte Ökumene. Als die Pauluskirche im Krieg zerbombt wurde, boten die Mennoniten ihre Kirche an und man feierte im Wechsel 14-tägig Gottesdienste, erzählt Pressereferentin Heike Höpner. Heute vertreten sich die Organisten im Krankheitsfall gegenseitig und auch in der Flüchtlingshilfe wird eine Zusammenarbeit angestrebt. Die Hamburger Gemeinde ist politisch den sozial Engagierten zuzurechnen und theologisch liberal eingestellt.

Saft, Kuss und Gesang

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Eine Abendmahlsfeier in der Herrnhuter Brüdergemeinde
Vorbereitung des Abendmahls in der Herrnhuter Brüdergemeine.

Foto: Erdmann Carstens, Herrnhuter Brüdergemeine

Vorbereitung des Abendmahls in der Herrnhuter Brüdergemeine.

Ein Herrnhuter Abendmahl ist zugleich feierlich und schlicht: Brot und Traubensaft werden durch die Reihen gereicht und die Gemeinde selbst gestaltet die Feier durch ihren Gesang. Tiefe Gemeinschaft und Verbundenheit wird spürbar. Ein Erlebnisbericht aus Herrnhut in unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Warum uns das 2015 wichtig war: Eine Dienstreise führte mich Ende September in den äußersten Osten Deutschlands: Vom Aussichtsturm über dem Herrnhuter Gottesacker (Friedhof) aus konnte ich nach Tschechien und Polen schauen. Herrnhut - aus der alten christlichen Siedlung ist eine sächsische Kleinstadt geworden. Im Ortskern stehen, schön gepflegt, die alten Gebäude, ganz zentral der Gemeindesaal. Ich war für unsere Freikirchenserie in Herrnhut, um an einer Singstunde, einer Predigtversammlung und einem Abendmahl teilzunehmen. All das war sehr besonders, sehr feierlich und doch so, dass ich mich auf Anhieb wie zu Hause fühlte. Gemeindiener (Pfarrer) Peter Vogt hatte mich am Bahnhof abgeholt und zum Abendessen eingeladen - was für ein schöner Abend! Ganz schnell kamen wir bei Brot, Käse und Bier von Gemeindethemen (auch in der Brüdergemeine gibt es mehr alte als junge Menschen) über Seelsorgefragen (natürlich lädt Gemeindienerin Jill Vogt auch Homosexuelle zum Ehechorfest ein) auf persönliche Glaubensthemen zu sprechen (Peter Vogt interessierte sich für meinen geistlichen Weg, dabei war ich doch nur die Reporterin...). Solche Dienstreisen, bei denen Arbeit und christliche Gemeinschaft ineinander fließen, sind das Schönste an der Arbeit bei evangelisch.de!

- Anne Kampf, Redakteurin

Dieser Inhalt erschien erstmals am 05.10.2015 auf evanglisch.de.

Sonntagvormittag, halb elf. Gut 20 Ehepaare, meist ältere, sitzen auf den weißen Bänken im großen hellen Versammlungssaal in Herrnhut, von draußen scheint die Sonne herein und lässt den roten Traubensaft leuchten, der in Glaskannen auf dem Tisch bereitsteht. Jeder Farbtupfer fällt doppelt auf in diesem Saal, in dem fast alles weiß ist: die Wände, die Rahmen der hohen Fenster, die Bänke. Einzige Farbtupfer sind die alten, messingfarbenen Kronleuchter und die grünen Gesangbücher und Sitzkissen. Dunkelgrün ist die typische Liturgiefarbe der Herrnhuter Brüdergemeine, normalerweise auch für die Tischdecke, doch die wurde gestern Abend ausgetauscht – gegen eine rote. Denn heute ist ein besonderer Tag: Das Ehechorfest.

Karaffen mit Traubensaft stehen in der Küche bereit.

"Chor" hat in diesem Fall nichts mit Singen zu tun (obwohl das für Herrnhut immer passen würde!), sondern kommt wohl vom französischen "corps" und heißt "Gruppe". Die Gemeinde ist traditionell in Chöre geordnet: ledige Frauen, ledige Männer, Verheiratete, Witwen. Längst gibt es nicht mehr für alle einen Festtag – aber für die Eheleute, und das eröffnet Gemeindienerin (so heißen hier die Pfarrer) Jill Vogt eine Gelegenheit zur Seelsorge: "Ich habe die Möglichkeit, diesen Menschen ein Wort zu sagen, und das finde ich sehr schön." Jill Vogt hat diesmal auch einem Männerpaar in eingetragener Lebenspartnerschaft eine Einladung geschickt, unverheiratete Paare sind ebenfalls willkommen. Mit solchen kleinen Anpassungen versucht die Herrnhuter Brüdergemeine, Tradition und heutige Lebenswirklichkeit unter einen Hut zu bekommen.

Im "Labor der Liebe"

Eines der älteren Paare, die schon seit Jahrzehnten in die Gemeinde kommen, sind Renate und Heinrich Schmorrde aus Herrnhut. Festlich gekleidet für den Sonntag nehmen sie in der dritten Reihe Platz. Seit 50 Jahren sind die beiden verheiratet, mit einem für Herrnhut typischen Lebensweg: Er stammt von hier und ist "brüderisch getauft und erzogen", sie kam mit der Hochzeit nach Herrnhut. Von hier wegzugehen, käme ihnen nie in den Sinn. Warum nicht, was ist das Besondere an der Brüdergemeine? Renate Schmorrde blickt auf das leere weiße Holzkreuz, das vorn an der Wand hängt. "Der Glaube an den Auferstandenen, der ja nicht mehr am Kreuz hängt – der ist mir wichtig." Viele hier legen Wert auf die die traditionellen Zeichen und Formen, gestern Abend noch hatte eine Frau das Pfarrerehepaar auf der Straße angesprochen: Ihr Vater, der im Altenheim lebt, habe einen Wunsch. "Er würde so gern noch einmal ein brüderisches Abendmahl feiern!" Gemeindiener Peter Vogt versprach, vorbeizukommen.

Der Versammlungssaal in Herrnhut.

Jetzt sitzt er selbst auf einer Bank und freut sich auf die Feier, die seine Frau leiten wird. Draußen vor dem Saal, hinter der Wand mit dem leeren Kreuz, fängt der Posaunenchor an, Choräle zu spielen. Drinnen hört die Gemeinde schweigend zu und schaut in den leuchtenden September-Sonntagmorgen hinaus. Als die Posaunen enden und die Orgel erklingt, zieht Liturgin Jill Vogt mit je zwei Brüdern und Schwestern ein. Alle fünf tragen weiße Talare, die in Herrnhut den Sakramentsfeiern vorbehalten sind. Vorn am Tisch gießen sie den Saft in vier große Kelche und entfernen Tücher von den Schalen, in denen Oblaten liegen. "Kommt her, verzagte Sünder, und werft die Ängste weg, kommt her, versöhnte Kinder, hier ist der Liebesweg", singt die Gemeinde. "Empfangt die Himmelslust, die heilge Gottesspeise, die auf verborgne Weise erquicket jede Brust." Gerade die fromme alte Sprache der Lieder macht das Abendmahl zu einem nicht alltäglichen Erlebnis.

"Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen", mit diesem Vers aus dem ersten Johannesbrief beginnt Jill Vogt ihre Ansprache an die Ehepaare, auf die sie sich schon seit Tagen freut. Die Gemeindienerin mit den quirligen Locken und der orangefarbenen Brille spricht mit kräftiger, fröhlicher Stimme. Sie habe einfach unter den vielen Trauversen den ausgesucht, der ihr am besten gefalle, gesteht sie: "Vielleicht ist es der perfekte Spruch für die perfekte Hochzeit." Für viele Paare müsse ja zur Hochzeit alles perfekt sein: Das Kleid, der Gottesdienst, das Essen, die Party. Als ob davon abhinge, wie gut die Ehe wird. "Aber die perfekte Hochzeit gibt es nicht, und die perfekte Ehe gibt es ebenfalls nicht", stellt Jill Vogt fest. "Denn ein Ehepaar besteht aus zwei Menschen, die beide nicht vollkommen sind."

Die Ehe sei so etwas wie ein "Labor der Liebe", in dem beide "herausfinden, was es bedeutet, wirklich zu lieben und geliebt zu werden", sagt Jill Vogt, und in den Augen der Zuhörer erscheint entweder ein Leuchten oder eine kleine Träne – in diesem "Labor" kennen sie sich aus, die jüngeren Paare ebenso gut wie die Eheleute jenseits der Goldenen Hochzeit. "Die Kraft unserer Liebe kommt daher, dass Gott uns zuerst geliebt hat", schließt Jill Vogt ihre Ansprache mit ermutigendem Blick. Dankbarkeit breitet sich aus – wie ist es möglich, dass man sie spürt, obwohl niemand etwas sagt? Die Gemeinde kniet zum Gebet nieder, und diese demütig-altmodische Geste steht erstaunlicherweise gar nicht im Gegensatz zum heiteren Ton der Ansprache.

Dann beginnt die Gemeinde zu singen – und wird damit abgesehen von zwei Unterbrechungen durch die Einsetzungsworte– nicht mehr aufhören. Selbst den aaronitischen Segen wird Jill Vogt zum Schluss singen. Schon für den Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760), war Singen wie eine Verbindung zwischen Erde und Himmel, und in manchen Texten schlägt sich auch die gefühlsbetonte Frömmigkeit des Gründers nieder: Von Jesus als dem "Brunnquell aller Gnaden" handeln die Verse, von der "Liebesflamme" und der Gemeinde als "Braut" des Herrn. Zinzendorf war ein lutherischer Pietist, Kern und Angelpunkt allen Glaubens ist für die Herrnhuter Jesus Christus. "Sein Leben und sein Lieben ist der Gemeinschaft Kern", singt die Abendmahlgemeinde, "Gemeinschaft ist das Leben, wir sind der Leib des Herrn". Singend predigt die Gemeinde sich selbst Gottes Wort, die Melodien dazu erklingen wie von selbst.

Brot und Kelche werden in die Bankreihen gebracht.

Die Abendmahlsdiener bringen das Brot, Symbol für Christi Tod, in die Bankreihen, brechen die Oblaten durch und reichen den Gemeindegliedern je eine Hälfte. Dabei sagen sie kein Wort. "Aber der Blick in die Augen ist ganz wichtig", sagt Jill Vogt später zur Erklärung, "und außerdem soll man ja weitersingen." Der Traubensaft, Symbol für das neue Leben in Christus, wird von einem zum anderen durch die Reihen weitergereicht, eine Frau nimmt ein Taschentuch und putzt den Rand ab. In welcher Weise Christus in den Elementen Brot und Traubensaft anwesend ist, lässt die Herrnhuter Brüdergemeine offen, der alte Abendmahlsstreit aus der Reformationszeit spielt hier keine Rolle. Es geht um die Gemeinschaft, um das gemeinsame Essen und Trinken.

Einen der großen Glaskelche mit den goldenen Henkeln an die Lippen zu heben ist an sich schon eine feierliche Handlung, die Atmosphäre des gesamten Abendmahls ist zugleich schlicht und erhaben, andächtig und erfüllend. Wer als nicht-"brüderischer" Gast mitfeiert, fühlt sich auf Anhieb in die Gemeinschaft aufgenommen. Die Klänge, Symbole, Gesten und Blicke entfalten ihre eigene Wirkung. Gäste sind allerdings – weil Sprache und Form des Herrnhuter Abendmahls auch gewöhnungsbedürftig sind – dankbar für die kursiv gedruckten Regieanweisungen auf dem Liedblatt: Wann man niederknien oder stehen soll, dass man mit dem Essen der Oblate wartet, bis alle ihr Brot in der Hand halten, dass man jetzt seinen beiden Nachbarn die Hand reichen soll.

Gemeindienerin Jill Vogt singt den Segen.

Zweimal werden Hände geschüttelt, einmal zur Versöhnung und einmal als Ausdruck der Gemeinschaft. An diesem besonderen Tag dürfen die Paare sich statt des zweiten Handschlages ein Küsschen geben, was viele zur Freude von Jill Vogt auch tun – die Gemeindienerin grinst fröhlich. Der Nachteil ist allerdings, dass man küssend nicht weitersingen kann, die Paare geraten also leicht aus dem Takt. Macht nichts, die Liedstrophen und Melodien scheinen ein Eigenleben zu entwickeln, sie klingen immer weiter, nisten sich hartnäckig in den Ohren ein und bleiben dort – den ganzen Tag oder sogar noch länger. So hält die feierliche Stimmung des Vormittags noch für eine Weile an. Und weil die Herrnhuter das wissen, wünschen sie einander beim Nachhausegehen "ein gesegnetes Abendmahl".   

Kirche duldet Abendmahl via TV-Gottesdienst

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Ein Pfarrer lädt zum Abendmahl via TV-Bildschirm ein: Pflegebedürftige oder deren Angehörige hätten oft das Bedürfnis, das Abendmahl zu feiern, auch wenn sie keine Kirche besuchen können, sagte Pfarrer Heiko Bräuning aus dem oberschwäbischen Wilhelmsdorf dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bräuning leitet das Projekt "Stunde des Höchsten", ein wöchentlicher Fernsehgottesdienst über "Bibel TV" und Internet. Am Palmsonntag vor Ostern lädt er die Zuschauer ein, Brot und Wein parat zu halten und vom heimischen Zimmer aus das Abendmahl mitzufeiern.

Das Angebot wurde kontrovers diskutiert. Die Leitung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg signalisierte am Wochenende, dass sie das Abendmahl via Bildschirm dulden wird.

Aus traditioneller Sicht könne man zwar kein Sakrament feiern, ohne persönlich anwesend zu sein, sagte Chef-Theologe Ulrich Heckel am Samstag vor der in Stuttgart tagenden Frühjahrssynode. Doch habe man in früheren Jahrhunderten mediale Gottesdienste noch nicht im Blick haben können. "Wir wollen Gott zutrauen, dass er auch auf diesen Wegen wirken kann", fügte Heckel hinzu. Laut Bräuning ist das Angebot "theologisch legitim und korrekt", der TV-Gottesdienst werde ein Beichtgebet und die biblischen Einsetzungsworte des Abendmahls enthalten.

Das Abendmahl ist eines der zentralen Symbole der Christenheit. Im Teilen von Brot und Wein feiern Christen die Gegenwart von Jesus Christus im Gottesdienst. In den biblischen Gleichnissen gebraucht Jesus das gemeinsame Essen und Trinken als anschauliches Bild für die Nähe Gottes zu den Menschen. Beim Abendmahl gedenken die Christen zudem des letzten Mahles Jesu mit seinen Jüngern vor seinem Tod am Kreuz. Neben der Taufe ist das Abendmahl das grundlegende Sakrament (Heilszeichen) der Christenheit.

Das Abendmahl auf die Straße tragen

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Gedeck mit von Nirava Silvia Becker gestaltetem Teller

Foto: Nirava Silvia Becker

Von Nirava Silvia Becker gestalteter Teller

Am diesjährigen Gründonnerstag (24. März) planen die Evangelische Kirchengemeinde Windecken, der Kirchenkreis Hanau und evangelisch.de gemeinsam eine besondere Aktion: Ein Kunstwerk der Keramikerin Nirava Silvia Becker wird aus der Kirche auf die Straßen von Nidderau gebracht, um Teil der Mitmachperformance "Mahl ganz anders" zu werden.

Wir feiern den Gründonnerstag als den Tag, an dem Jesus das Abendmahl einsetzte. An diesem Abend wurde Jesus verraten und verhaftet.

Das Kunstwerk "Weil ich satt bin" steht seit Aschermittwoch in der Windecker Stiftskirche (Kirchplatz 1, 61130 Nidderau-Windecken) und ist Mittelpunkt einer Vielzahl von Veranstaltungen zur Passionszeit. Die Installation besteht aus 13 Tellern, die durch gezielt eingebrannte Glasurreste den Eindruck vermitteln, als lägen noch Essensreste auf ihnen. Obwohl die Teller wertvoll und zerbrechlich sind, kann man sie aus der Nähe betrachten.

Am Gründonnerstag werden sie nun sogar den Einflüssen der Straße ausgesetzt. Die Mitwirkenden des performativen Straßentheaters decken mit den Tellern einen Tisch und laden Passanten ein, Brot und Trauben davon zu kosten. Lässt sich die Scheu überwinden?

Abendmahlsgottesdienst mit "fließendem Beginn"

Die Aktion findet an ganz verschiedenen Orten in Nidderau statt und will auf die besondere Bedeutung dieses Tages für Christen aufmerksam machen. Sie schließt an das Projekt "Mahl ganz anders" von evangelisch.de an, das in den vergangenen Jahren mit großem Erfolg in Hamburg und Frankfurt aufgeführt wurde (www.mahlganzanders.de).

Am Ende der Aktion kehrt die Installation noch einmal in die Stiftskirche zurück und wird Teil des Abendmahlsgottesdienstes. Das Besondere dabei: Ein "fließender Beginn". Es soll an diesem Abend allen ermöglicht werden, in der Kirche einzutreffen, wann es ihnen passt – ohne zu spät zu kommen. Zwischen 18 und 19 Uhr ist an verschieden gestalteten Orten in der Kirche ein Einstieg möglich. In dieser Zeit erklingen dort besondere Geschichten der christlichen Tradition. Anschließend wird eine lange festliche Tafel im Kirchenraum gedeckt, Abendmahl gefeiert und das traditionelle Gründonnerstags-Essen geteilt.

Übrigens: Wer bei den Aktionen tagsüber mitmachen möchte, sollte ab 13 Uhr Zeit haben und sich bitte im Vorfeld bei Pfarrerin Friederike Erichsen-Wendt (pfarrerin(at)stiftskirche-windecken.de; Tel. 06187/3775) melden.

So viele letzte Abendmahle...

"Offene Kirche" in Württemberg protestiert gegen Online-Abendmahl

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Vor dem geplanten Abendmahl in einem Fernseh- und Internet-Gottesdienst hat die Evangelische Vereinigung "Offene Kirche" in Württemberg Bedenken angemeldet. Das Vorhaben von TV-Pfarrer Heiko Bräuning sei "theologisch nicht haltbar".

Bräuning hatte in der letzten Ausgabe des TV-Gottesdienstes "Stunde des Höchsten" ein Online-Abendmahl für Ostersonntag angekündigt. Auch auf der Homepage www.stunde-des-hoechsten.de lädt der Pfarrer aus dem oberschwäbischen Wilhelmsdorf dazu ein, "Saft der Traube oder Wein und Brot bereit zu stellen, und mit uns das Abendmahl zu feiern". Weiter heißt es: "Vielleicht haben Sie auch Lust, noch Freunde und Bekannte einzuladen, um so gemeinsam am Tisch des Herrn 'den Tod und die Auferstehung unseres Herrn zu schmecken und zu bedenken!'" Die wöchentlichen TV-Gottesdienste werden aufgezeichnet, mehrmals auf Bibel-TV gesendet und in der Mediathek der "Stunde des Höchsten"  bereitgestellt.

Die Leitung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg hatte signalisiert, dass sie das Abendmahl via Bildschirm dulden wird. Aus traditioneller Sicht könne man zwar kein Sakrament feiern, ohne persönlich anwesend zu sein, sagte Chef-Theologe Ulrich Heckel vor der Frühjahrssynode. Doch habe man in früheren Jahrhunderten mediale Gottesdienste noch nicht im Blick haben können. "Wir wollen Gott zutrauen, dass er auch auf diesen Wegen wirken kann", fügte Heckel hinzu.

Die Evangelische Vereinigung "Offene Kirche" wundert sich darüber, dass Heckel einerseits gesagt habe: "Eine Sakramentsfeier ohne physisch anwesende Gemeinde ist reformatorisch gesehen eine Unmöglichkeit", andererseits davon im Verlauf seiner Stellungnahme wieder abgewichen sei. Nach Ansicht der "Offenen Kirche" ist ein Online-Abendmahl "theologisch nicht haltbar". Mit dem Vorhaben von Heiko Bräuning würden "ohne hinreichende theologische Begründung und Verständigung auf landeskirchlicher Ebene Fakten geschaffen". Durch ein Abendmahl am Bildschirm leiste die Kirche "der Individualisierung und der Selbstbedienungsmentalität ein einer Weise Vorschub, die keinesfalls einem evangelischen Verständnis der Sakramente entspricht".

Beim Abendmahl gedenken Christen des letzten Mahles Jesu mit seinen Jüngern vor seinem Tod am Kreuz. Im Teilen von Brot und Wein feiern sie die Gegenwart Christi in der Gemeinde. Zentraler Inhalt des Symbols ist nach evangelischem Verständnis die Gemeinschaft der Glaubenden, das gemeinsame Essen und Trinken. Ob ein Abendmahl auch physische Präsenz der Teilnehmenden gefeiert werden kann oder sollte, wird kontrovers diskutiert.

Die "Offene Kirche" in Württemberg plädiert dafür, anstelle von Internet- oder TV-Abendmahlsfeiern "das Hausabendmahl neu zur Geltung zu bringen". Darin zeige sich seelsorgerliche Zuwendung zu Menschen, die das Haus nicht verlassen können. "Wir möchten nicht den Eindruck entstehen lassen, Kirche speise ihre kranken und gebrechlichen Glieder künftig über den Bildschirm ab", heißt es abschließend in der Erklärung der "Offenen Kirche".

"Mahl ganz anders": Das Abendmahl auf die Straße bringen

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Abendmahl - auf der Straße? Am Gründonnerstag macht die Mitmachaktion "Mahl ganz anders" Halt im hessischen Nidderau. An unterschiedlichen Orten werden Passanten ziemlich ungewöhnlich eingeladen, sich dem Abendmahl zu nähern und über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen.

Evangelischer Kirchenfunk Niedersachsen/evangelisch.de


"Wer mein Fleisch kaut und mein Blut trinkt, bleibt in mir"

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Für Jan Heilmann geht es beim Abendmahl um Jesu Lehre
Kelch mit Wein und ein Stück Brot.

Foto: iStockphoto/Magdalena Kucova

An Gründonnerstag feiern Christen das Abendmahl zur Erinnerung an Jesu letztes Mahl mit den Jüngern. Brot und Wein stehen dabei als Symbole für Christi Leib und Blut. Doch der Theologe Jan Heilmann zieht das in seiner Doktorarbeit in Zweifel: Jedenfalls dem Evangelisten Johannes sei es nicht um Jesu Körper gegangen, sondern um seine Worte.

Johannes 6,53-59+63+68, aus dem Griechischen übersetzt von Jan Heilmann:

53 Es sprach nun zu ihnen Jesus: Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr nicht esst das Fleisch des Menschensohnes und nicht trinkt sein Blut, habt ihr kein Leben in Euch. 54 Derjenige, der mein Fleisch kaut und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben und ich werde ihn aufwecken am letzten Tag. 55 Denn mein Fleisch ist wahres Essen und mein Blut ist das wahre Trinken. 56 Derjenige, der mein Fleisch kaut und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm. 57 Ebenso wie mich der lebendige Vater geschickt hat und ich so durch den Vater lebe, so wird derjenige, der mich kaut, –auch dieser wird durch mich leben. 58 Dieser ist das Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist. Nicht wie die Väter gegessen haben und gestorben sind – Derjenige, der dieses Brot kaut, wird leben in Ewigkeit. 59 Dies sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte. (…) 63 Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch hilft gar nichts. Die Worte, die ich zu euch gesagt habe, sind Geist und sind Leben. (…) 68 Es antwortet ihm Simon Petrus: Herr, zu wem sollten wir gehen? Worte des ewigen Lebens hast Du.

Herr Heilmann, Ihre These lautet: "Essen und Trinken ist die Annahme von Lehre." Wie kamen Sie auf die Idee, eine Arbeit zu dieser These zu schreiben?

Jan Heilmann: Ich habe mich mit Mysterien im Johannesevangelium beschäftigt, also mit der Vorstellung des Gott-Essens zum Beispiel. Darauf verweisen ja die Begriffe vom Fleisch-Essen und Blut-Trinken, so ist es zumindest immer angenommen worden. Ich war also mit einer anderen Fragestellung an den Text herangegangen und der hat sich meiner Idee dann entgegengestellt: Die Textanalyse hat mir gezeigt, dass eine solche Vorstellung im Johannesevangelium gar nicht zu finden ist, sondern dass Jesus mit dem Essen seines Fleisches und dem Trinken seines Blutes auf die Aufnahme seiner Lehre hinweist. Jesus ist im Johannesevangelium immerhin das fleischgewordene Wort Gottes.

Heute sagen wir ja "auf etwas herumkauen" oder "ein Buch verschlingen". Gab es diese Art von Essens-Metaphern für Nachdenken oder Lesen auch in der Antike?

Heilmann: Diese Metaphern waren sehr weit verbreitet. Sehr häufig finden wir zum Beispiel in den rabbinischen Texten, dass das Hören der Lehre der Rabbinen als Wassertrinken bezeichnet wird. Ganz spannend ist, was mir dann aufgefallen ist und was so auch bisher in der Forschung noch nicht gesehen worden ist, dass man eben auch das "Fleisch" von Menschen "essen" konnte und das dafür stand, dass man ihre Bücher las. Bei Origenes steht, dass die Fleischteile von Christus, seine Knochen und sein Blut, die göttlichen Schriften sind, die verzehrt werden müssen, um Christus zu haben. Bei Makarios Magnes taucht ein Grieche auf, der die Brotrede in Johannes 6 absolut nicht verstehen möchte, der es "bestialisch und absurd" findet, Menschenfleisch zu essen – und der Christ Makarios erklärt es ihm dann mit dieser Metaphorik. Ich habe diese alten Auslegungen erst relativ spät während meiner Dissertation gefunden und war dann ganz baff, dass man das in der Antike so lesen konnte.

Können Sie denn am Text selbst beweisen, dass bei der Brotrede in Johannes 6 eine Metapher angewandt wurde und mit "Fleisch" und "Blut" nicht "Brot" und "Wein" gemeint war?

Heilmann: In Johannes 6 kann man das, denke ich, ganz gut zeigen, weil zum einen der Begriff, der da im Griechischen steht - Fleisch, sarx - nicht das gekochte Fleisch meint, das man beim Essen isst, sondern das lebendige Fleisch, in dem Blut fließt. Also eigentlich ist das wörtliche Lesen, "mein Fleisch essen und mein Blut trinken", eine Unmöglichkeit, die Jesus da fordert. Wir müssen uns die Erzählsituation so vorstellen: Jesus ist mit einer Gruppe von Zuhörern, unter ihnen auch Jünger, in der Synagoge in Kapernaum und diskutiert mit ihnen. Die Hörer auf der Ebene der erzählten Welt müssten sich also vorstellen, sie sollten ihn verspeisen, wie er da vor ihnen steht, und nicht den gekreuzigten und dann gekochten Jesus. Wenn man sich den Erzählverlauf von Johannes 6 anschaut, wird deutlich, dass das eine gezielte Provokation ist, die Jesus da formuliert. Am Ende scheiden sich nämlich die Geister an Jesu Forderung, sein Fleisch zu essen. Diejenigen, die verstehen, sagen: "Worte des lebendigen Lebens hast du." Petrus sagt explizit: "Worte." Und Jesus selbst schlüsselt diese Metaphorik auf, indem er sagt: "Das Fleisch ist zu nichts nütze, der Geist ist's, der lebendig macht." Das heißt, es ist so inszeniert, dass diejenigen, die es materiell missverstehen, die sind, die Jesus sowieso verlassen, weil sie nicht glauben. Und diejenigen, die die Glaubensvoraussetzungen haben, die also seine Lehre verstehen können, die bleiben als Zwölferkreis bestehen.

Es gibt ja auch in den anderen Evangelien Abendmahl-Erzählungen und es gibt die Einsetzungsworte im ersten Korintherbrief, "Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot…". Ist es da auch metaphorisch gemeint?

Heilmann: Da ist zunächst einmal aus Sicht der neueren Forschung die Frage, inwiefern man sie als "Einsetzungsworte" bezeichnen kann. Es ist nämlich schwierig, aus den Deuteworten selbst zu belegen, dass Jesus vermeintlich ein Kultmahl eingesetzt hat, bei dem ein kleines Stückchen Brot und ein kleines Schlückchen Wein symbolisch konsumiert worden wäre. Wir würden das in der Wissenschaft als Zirkelschluss bezeichnen. Setzt man hingegen ein solches Kultmahl nicht voraus, dann sieht man, dass diese Deuteworte über dem Austeilen des Weins und über dem Austeilen des Brotes je in ihrem Kontext eine ganz eigene Bedeutung haben. Die frappanteste Stelle ist für mich Lukas 22,20, wo eben gerade entgegengesetzt der traditionellen Deutung, dass das Blut vergossen würde, im Griechischen ganz eindeutig der Becher vergossen wird. Hier ist also ein Ausgießungsritual angedeutet, das in der Antike eine Bundesschlusszeremonie, eine Vertragsbesiegelung darstellt. Und beim Brotwort, gerade im ersten Korintherbrief, geht es darum, dass es Spaltungen in der Gemeinde gibt. Jesus sagt: "Dies ist mein Leib", während er das Brot an seine Jünger austeilt. Das gibt Paulus den Korinthern als Argument an die Hand, dass es keine Spaltungen geben dürfe. Denn die Gemeinde ist der eine Leib und das Austeilen des Brotes durch Jesus definiert diesen einen Leib als Christusleib. Er verweist also mit "dies ist mein Leib" nicht auf sich, sondern das ausgeteilte Brot repräsentiert die anwesenden Mahlteilnehmer.

Was bedeutete ein antikes Mahl mit Brot und Wein?

Heilmann: Zunächst mal muss man sagen, dass antike Mähler natürlich anders abgelaufen sind als Mahlzeiten heute. Man hat zum Beispiel gelegen. Es gab erst einen Essensteil, dann eine Übergangszeremonie und dann ein so genanntes Symposion, bei dem man zusammen Wein getrunken und sich unterhalten hat. Nach dieser kulturellen Vorlage haben auch die frühen Christen Mahl gehalten und deren Mahlzeiten waren auch nicht auf Brot und Wein beschränkt. Die Hauptbedeutung eines solchen Mahls war eigentlich, dass es Gemeinschaft gestiftet hat. Menschen sind zusammengekommen und haben sich beim Mahl als Gruppe konstituiert. In den Texten geht es meistens um Mahlkonflikte: Da werden die Werte des Mahls – also die Gemeinschaft, die Eintracht, der Frieden – hochgehalten, um zu zeigen, wie das ideale Mahl aussieht, das die ideale Gemeinschaft repräsentiert.

"Wenn Sie mich nach der gemeinsamen Dimension all dieser Texte fragen, dann ist das Abendmahl etwas Gemeinschaft Stiftendes"

Wenn Sie das alles erzählen, kommt mir der Gedanke, dass alles ein großes Missverständnis ist mit dem Abendmahl. Die Frage ist offensichtlich nicht, in welcher Weise Christus in Brot und Wein gegenwärtig ist, was ja in der Reformationszeit zu Spaltungen geführt hat. Müssen wir das Abendmahl völlig neu interpretieren?

Heilmann: Diese Frage hat mich gerade im Nachgang der Arbeit beschäftigt. Verstehen wir das Abendmahl falsch und hat die Kirche es missverstanden? Dazu würde ich mittlerweile sagen: Missverständnis ist vielleicht die falsche Kategorie. Roland Barthes hat gesagt, dass der Autor eines Textes tot ist. Damit meint er, dass die Rezeption eines Textes ungesteuert passiert: Ein veröffentlichter Text wirkt, und hinter dieses Wirken ist nur schwer zurück zu kommen. Die Texte des Neuen Testamentes hatten gerade durch ihre Zusammenstellung ihre Wirkung: Die Metaphern in den Abendmahlstexten und in Johannes 6 sind in der Kirchengeschichte ritualisiert worden, und deshalb fällt es uns heute so schwer, die "Abendmahls-Brille" beim Lesen dieser Texte abzusetzen. Eine konsequente Frage wäre: Worauf beziehen wir uns mit unserer heutigen Praxis des Abendmahls? Müssen wir das so machen, wie es in den Texten steht? Dann müsste man sich hinlegen und genauso Mahl halten wie in der Antike, aber das kann ja auch nicht das Ziel sein. Wir können die Auslegungsgeschichte und die Traditionen, die sich in der Kirche entwickelt haben, nicht einfach beiseite wischen. Ich weiß, dass das für das evangelische sola scriptura-Prinzip mit Schwierigkeiten behaftet ist, aber im Moment ist es für mich eine offene Frage, wie man damit umgeht.

Die Frage nach der Rezeptionsgeschichte wird ja noch viel bedeutungsvoller, wenn man an die Abendmahlsfrage – was ist Blut und Fleisch? – auch die gesamte Sühnopfertheologie dranhängt: Jesus als Opfer, gestorben zur Vergebung der Schuld, Versöhnung. Alles ungültig?

Heilmann: Naja, zumindest ist eine Sühnopfertheologie so in den Texten nicht mit dem Mahl verknüpft. Ein interessanter Unterschied zwischen den Evangelien ist, dass der Zusatz "zur Vergebung der Sünden" nur in den Deuteworten bei Matthäus vorkommt, bei den anderen nicht. Und bei Matthäus hat das die Bedeutung, dass Jesus hier einen Sündenvergebungsbund stiftet, indem er seinen Jüngern das Brot gibt und sie aus einem Becher trinken lässt. Es ist dann eher der Auftrag an die Jünger, untereinander die Sünden zu vergeben und hat nicht die Bedeutung, dass durch seinen Tod die Sünden vergeben würden. Das hat in diesen Deuteworten überhaupt keinen Platz. Die Interpretation der katholischen Kirche, dass das Bekommen von Brot und Wein als christologisch gedeutete Elemente eine Heilsbedeutung für das Individuum hat, entwickelte sich definitiv später, nämlich erst im dritten bis vierten Jahrhundert.

Wenn Sie mich nach der gemeinsamen Dimension all dieser Texte fragen, dann ist das Abendmahl etwas Gemeinschaft Stiftendes. Da könnte die Perspektive für ein Überdenken bisheriger Abendmahlstheologie liegen: dass es kein Mahl sein darf, das spaltet – so wie in Korinth – sondern dass im Mahl die Gemeinschaft der Christusgläubigen zum Ausdruck kommen muss. Insofern sind natürlich gerade die christologischen Streitigkeiten, die damit verbunden sind, einigermaßen schwierig, da sie ja kirchenspaltend gewirkt haben.

Wenn Sie ganz normal sonntags in die Kirche gehen und an einem Abendmahl teilnehmen: Können Sie das alles wegschieben, was Sie jetzt im Kopf haben?

Heilmann: Nein, das kann ich nicht wegschieben. Ich bin da meistens in einem Analysemodus. Das Ding bekomme ich sehr schwer ausgeschaltet.

Erleben Sie trotzdem in dem Moment Gemeinschaft?

Heilmann: Es gibt, glaube ich, andere Momente im kirchlichen Leben, wo ich mehr Gemeinschaft erlebe als bei der Ausgestaltung des Abendmahls, so wie es im Moment in den Kirchen durchgeführt wird. Allerdings steht für mich bei einem Abendmahl in der evangelischen Kirche das Gemeinschaftserleben stärker im Zentrum als in der katholischen, jedenfalls wenn man im Kreis steht. Insofern ist nicht alles schlecht beim Abendmahl und ich kann das auch mitfeiern. Wenn ich das Essen von Brot und das Trinken von Wein im Sinne von der Metaphorik von Johannes 6 verstehe, wenn es also symbolisch steht für das Durchkauen und das Durchdenken dessen, was ich vorher von der Kanzel gehört habe, dann kann ich mit gutem Gewissen am Abendmahl teilnehmen, auch mit den neutestamentlichen Texten im Hinterkopf.

EKD-Chef lobt Papst und kritisiert Haltung zum Abendmahl

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Heinrich Bedford-Strohm ist bayerischer Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Foto: dpa/Andreas Gebert

Heinrich Bedford-Strohm ist bayerischer Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, lobt Papst Franziskus für dessen Aussagen zu Ehe und Sexualität, kritisiert aber auch einzelne Punkte vor seinem geplanten Treffen mit dem Pontifex. Zudem betont er den ökumenischen Aspekt des Reformationsjubiläums.

"Mir gefällt der markante Ton von Franziskus, wenn er davor warnt, abstrakte moralische Normen zu propagieren. Das habe ich so deutlich noch von keinem Papst gehört", sagte Bedford-Strohm in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" mit Blick auf das jüngste Papst-Schreiben "Amoris laetitia" (Die Freude der Liebe). Enttäuscht sei er allerdings von der Passage zu konfessionsverbindenden Ehen.

Dort hätte er sich eine Öffnung der Eucharistie für katholisch-evangelische Paare gewünscht. In dem Papst-Schreiben werde wiederholt, beim Abendmahl hätten sich konfessionsverbindende Ehen nach den katholischen Regeln zu richten, fügte Bedford-Strohm hinzu: "Nur in Ausnahmefällen sollen sie es zusammen feiern. Da würde ich mir ein neues Zeichen wünschen: Die Eheleute sollen nicht nur ihr Bett teilen dürfen, sondern auch am Tisch des Herrn gemeinsam willkommen sein."

Wie gehen die Konfessionen mit dem Scheitern um?

Zum Thema Scheidung sagte Bedford-Strohm, dort sei in der Kirche noch mehr Demut nötig: "Denn scheitern kann jeder. Niemand darf sich einbilden, dass ihm das nicht passieren kann. Wir müssen aufhören, über andere zu richten." Beide Konfessionen müssten die brisante Frage beantworten: "Wie gehen wir mit dem Scheitern um?"

Für homosexuelle Partnerschaften wünscht sich Bedford-Strohm mehr Toleranz und Offenheit. Dort gebe es noch Konfliktpotenzial, nicht nur in der römisch-katholischen Kirche sondern auch in protestantischen Kirchen, etwa in Afrika. Ihn störe, dass "Sexualität noch so häufig mit Sünde verbunden wird", fügte Bedford-Strohm hinzu: "Wir sollten lieber über Sünde reden, wenn Hunderte Menschen im Mittelmeer ertrinken."

"Wir sind nicht nur für Verheiratete da"

Die Kirchen dürften nicht mit ihren "Idealen über die Lebenswelt vieler Menschen hinwegsegeln". Die Ehe habe sich bewährt, sagte Bedford-Strohm, "aber wir sind nicht nur für Verheiratete da. Wir müssen unsere Leitbilder auf alle Lebensformen anwenden." Auch Papst Franziskus weise den "alten Richtergeist zurück, gerade in der Sexualität. Dort sind wir besonders verletzlich", betonte der EKD-Ratsvorsitzende, der auch bayerischer Landesbischof ist.

Der EKD-Ratsvorsitzende trifft am Donnerstag im Vatikan mit dem katholischen Kirchenoberhaupt zusammen. Im Vorfeld zollte Bedofrd-Strohm dem Pontifex große Anerkennung: "Diesem Papst Franziskus fühle ich mich verbunden. Als er gewählt wurde und ich seinen Namen als Papst hörte, habe ich einen innerlichen Luftsprung gemacht", sagte Bedford-Strohm der "Zeit".

Die Begegnung im Vatikan ist die erste Zusammenkunft der beiden Kirchenführer. Der 56 Jahre alte Bedford-Strohm, der zugleich bayerischer Landesbischof ist, steht seit fast anderthalb Jahren an der Spitze der EKD. Der 79-jährige Franziskus ist seit drei Jahren im Amt. Bedford-Strohm sagte, der aus Argentinien stammende Papst mache einen großen Eindruck auf ihn: "Das liegt nicht nur an seinem Engagement für Flüchtlinge, sondern auch daran, dass er die Armen ins Zentrum stellt."

Als Gastgeschenk für den Papst hat der lutherische Theologe Bedford-Strohm seine Doktorarbeit mit dem Titel "Vorrang für die Armen. Auf dem Weg zu einer theologischen Theorie der Gerechtigkeit" im Gepäck. Die lateinamerikanische Theologie der Befreiung habe ihn als jungen Wissenschaftler intensiv beschäftigt, sagte der 56-Jährige: "Von meiner Doktorarbeit habe ich zum Weitergeben noch ein letztes Exemplar. Das nehme ich sehr gern zu einem Papst mit, der sich den Namen Franziskus gegeben hat."

Wunden der Trennung und Spaltung der Kirchen

Ein weiteres Thema bei seinem Zusammentreffen mit Papst Franziskus am Donnerstag in Rom werde auch die Ökumene und das Reformationsjubiläum 2017 sein, sagte Bedford-Strohm. Beim Reformationsjubiläum 2017, mit dem die evangelische Kirche an ihren Ursprung durch den Thesenanschlag Martin Luthers vor 500 Jahren in Wittenberg erinnert, gehe es "nicht um protestantische Selbstbeweihräucherung", betonte Bedford-Strohm: "Luther wollte keine Abgrenzung, sondern dass wir neu auf Christus hinweisen. Das werden wir 2017 gemeinsam tun."

Ihn beeindrucke, wie deutlich Papst Franziskus "die Wunden der Trennung und Spaltung unserer Kirchen benannt hat. Dass wir gemeinsam Zeugnis ablegen für die Werte von Barmherzigkeit und Humanität, das ist in Zeiten von Extremismus und Fanatismus im Namen der Religion wichtiger denn je", fügte Bedford-Strohm hinzu. Der EKD-Ratsvorsitzende verwies auf den geplanten Versöhnungsgottesdienst des Lutherischen Weltbundes mit Papst Franziskus im Oktober des laufenden Jahres im schwedischen Lund. Zum Auftakt des 500. Reformationsjubiläums veranstalten der Lutherische Weltbund und der vatikanische Einheitsrat dort am 31. Oktober 2016 eine gemeinsame Gedenkfeier.

Wer herzt wen zuerst?

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Ein Gottesdienst in der "Metropolitan Community Church" Stuttgart
Abendmahl in der Gemeinde "Salz der Erde" in Stuttgart, einer Metropolitan Community Church.

Foto: Martin Haar

Abendmahl in der Gemeinde "Salz der Erde" in Stuttgart, einer Metropolitan Community Church.

Menschen, die anderswo Ablehnung erlebt haben, sind hier willkommen: In der Gemeinde "Salz der Erde" in Stuttgart, einer von drei "Metropolitan Community Churches" in Deutschland. Martin Haar war für unsere Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen" in einem ziemlich bunten Gottesdienst - und kam mit einem Leuchten wieder raus.

Hier laden keine Glocken zum Gottesdienst ein. Kein schallendes Geläut. Eher ein helles Gebimmel, als der Pianist ein Glöckchen zwischen Daumen und Zeigefinger schwingen lässt. Für 25 Christen, die sich in einem Saal eines Seniorenwohnheimes im Stuttgarter Westen versammelt haben, ist das das Zeichen: Jetzt feiern wir zu Ehre Gottes. 

Die Symbolik lässt keine Zweifel. Nebenraum statt Kirche. Bimmel statt Glocken. Stadtteil statt Zentrum. Hier treffen sich Ausgegrenzte. Die Metropolitan Community Church, kurz MCC, sammelt jeden Samstagabend Gläubige, die anderswo nicht willkommen sind. Schon das Transparent am Eingang vermeidet jede Form der Wertung: "Gott ruft Große, Kleine, Dicke, Dünne, Rothaarige, Lesben, Schwule, Heteros…" Also alle. 

"Der Tisch Gottes ist für jeden gedeckt"

Auch eine 85-jährige Bewohnerin des Ludwigstifts ist jeden Samstag dabei. Wie manch anderer Heimbewohner auch. Sie schätzen an den Gemeindegliedern der MCC deren besondere Herzlichkeit. "Ich fühle mich hier einfach angenommen", sagt die Stiftbewohnerin. Keiner frage sie, woher sie kommt, was sie denkt oder fühlt. Sie weiß: "Ich bin hier als Mensch willkommen. Hier darf ich sein, wie ich bin. Mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht kommen könnte. Und es fehlt etwas, wenn ich nicht da bin."

Heike Schadeberg, im MCC-Vorstand, nickt zufrieden. Denn dieser Geist soll von der MCC-Gemeinde ausgehen. Tatsächlich übt die Gemeinde, die als Verein eingetragen ist, damit eine gewisse Anziehungskraft auf Heimatlose aus. Der Verein hat etwa 50 Mitglieder, rund 100 treue Menschen, die teilweise weit aus der Region Stuttgart zum Gottesdienst anreisen. "Ja, hier ist jeder willkommen, ob getauft oder nicht", sagt Schadeberg, "auch beim Abendmal gilt: Der Tisch Gottes ist für jeden gedeckt." Jeder soll den Pulsschlag des christlichen Lebens spüren. Selbst Muslime dürfen kommen.

Apropos Tisch Gottes. Bevor das erste Lied gesungen wird, bringen Lothar und Thomas einen Strauß Tulpen. "Ihnen ist ein schöner Altar wichtig", sagt Schadeberg anerkennend. Die Form, die Rituale und die Liturgie sind hier genauso wichtig wie bei jedem anderen Gottesdienst. Es wird auch mit gleicher Inbrunst gesungen - zum Lobpreis Gottes. Und nach dem die ersten Akkorde des Pianospielers, ein ehemaliger Pfarrer der württembergischen Landeskirche, verklingen, ertönt im Chor das übliche Eingangswort: "Wir feiern im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes."

Katholiken, Pietisten, Freikirchler und Suchende

Auch hier leuchtet das Licht des Schöpfers. Pardon, der Schöpferin. Die weibliche Form stößt hier allenfalls Neulingen auf. Allen anderen ist die Bezeichnung Schöpferin, die inklusive Sprache, bereits in Fleisch und Blut übergegangen. Gott als Mutter ist hier kein Gegensatz, sondern geglaubte Normalität. Ebenso wie der anschließende Friedensgruß. Nach dem Bekenntnis, dass der Friede Gottes größer sei als alle menschliche Vernunft, springen alle auf. Es bricht fast ein Wettbewerb aus: Wer herzt wen zuerst? Wer ruft wem zuerst "Der Friede sei mit dir" zu? Die alte englische Gentleman-Formel "Ladies first" ist von herzlichem Enthusiasmus außer Kraft gesetzt. Wenngleich die Geschlechterrollen ohnehin eine untergeordnete Rolle spielen.

Erst recht bei Isabell. Als sie sich vor zwei Jahren in ihrer freikirchlichen Gemeinde als transsexuell geoutet hatte, endet die Nächstenliebe jener Christen abrupt. Nicht bei allen, "aber manche redeten danach nicht mehr mit mir", sagt Isabell, "die meisten haben sich von mir zurückgezogen". Gemobbt wurde sie in der Baptisten-Gemeinde nicht. Doch andere MCCler erleben wegen ihrer sexuellen Identität oder Präferenz Anfeindungen. Selbst Familienangehörige Homosexueller sind oft betroffen: "Eine Mutter eines schwulen Gemeindeglieds wurde sogar aus dem Kirchenchor gedrängt", berichtet Isabell, die sich nun in der MCC-Gemeinde von Pfarrer Axel Schwaigert "als Mensch akzeptiert" fühlt.

Pfarrer Axel Schwaigert hält die Predigt.

Schwaigert selbst macht keinen Hehl aus seiner Homosexualität. Aber trägt sie auch nicht als Monstranz vor sich her. Genau genommen spielt es hier keine Rolle. Auch inhaltlich nicht. In keinem liturgischen Element wird klagend oder überkritisch auf die streng wertende Gesellschaft eingegangen. Es herrscht keine unterschwellige Frustration wegen der Intoleranz. Hier herrscht durchweg eine fröhlich-heitere Stimmung. Die frömmlerische Verbissenheit, die so manche pietistische Gemeinde in Württemberg auszeichnet, ist hier nicht zu finden. "Es mag daran liegen, dass die Leute aus allen Traditionen zu uns kommen", sagt Vorstandsmitglied Schadeberg. Katholiken, Pietisten, Freikirchler und Suchende. Dafür müssen sie sich alle gegenseitig aushalten und im Gottesdienst eine Schnittmenge finden. 

Es ist eine Ökumene der besonderen Art. "Manchen ist es zu katholisch, wenn wir jedes mal Abendmahl feiern, den anderen sind wir zu evangelisch", sagt Axel Schwaigert, der zwar promovierter Theologe (Tübingen/Boston) ist, aber seine Brötchen als Bestatter verdient. Weiter sagt er: "Wir glauben an die Priesterschaft der Laien und aller Gläubigen." Darin liege das Faszinosum dieser "non-konformistischen Gemeinde", die eine Alternative ist, aber nicht Gegenpart sein will. Weder zur Landeskirche noch zu einer Freikirche. 

"Bringt Licht in die Welt"

In vielen Elementen ist der Gottesdienst ohnehin kaum von "normalen" Gottesdiensten zu unterscheiden. Selbst die Taufen laufen hier so ab wie anderswo, ob bei Kindern oder Erwachsenen. "Eine Wiedertaufe ist allerdings nicht nötig", sagt Pfarrer Schwaigert, "und ich lass mir von keinem einen Bestätigungszettel zeigen, ob er auch wirklich getauft ist." All das passt nicht zum Gottes- und Bibelverständnis der MCC: "Mein Verständnis ist, dass Gott uns alle segnet und das Wort sich im Leben widerspiegelt."

Tischdeko in der Stuttgarter Metropolitan Community Church.

Die Predigt hält an diesem Samstag Pfarrer Schwaigert selbst. Er ist das Zentrum der Gemeinde, aber er steht nicht permanent im Mittelpunkt. Bei der MCC ist er so etwas wie der Primus inter pares, der Erste unter Gleichen. Daher würde er wohl auch nur ungern von einer Kanzel herab predigen, selbst wenn er eine hätte. Statt sich zu erhöhen, will er auch an diesem Abend den Gläubigen ganz nah sein. Sein Thema ist die Gottesbegegnung. Axel Schwaigert spricht von dem "inneren Leuchten", das beispielsweise von Mose ausgegangen war. Von diesen Momenten, in denen sich Himmel und Erde ganz nah sind und Gott selbst durchscheint.   

Solche Momente wünscht er sich für seine Zuhörer. "Wenn ihr nachher rausgeht", ruft er ihnen zu, "dann soll in jedem von euch dieses Strahlen der Gottesbegegnung sein." So sollen die MCC-Mitglieder in eine Welt treten, die sie nicht vorbehaltlos annimmt. "Ihr sollt Menschen einladen und sie verändern", wünscht sich Schwaigert, "gerade da, wo jemand anders glaubt, als es die Organisation gerne hätte." In diesem Moment wird Pfarrer Schwaigert leise. Er flüstert beinahe: "Bringt Licht in die Welt." Gleichsam des Namens der Stuttgarter MCC-Gemeinde "Salz der Erde" sollen sie wirken. Seine Gemeinde nimmt die Aufforderung an, die an die Botschaft Jesu erinnert: In diesem Sinn verlassen die MCCler am Ende des Gottesdienstes den Raum. Mit einer Botschaft und einem Leuchten. Dem eines kleinen Teelichtes und dem in ihrem Gesicht. 

Bedford-Strohm und Marx setzen in der Ökumene auf positive Zeichen

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Disputation mit Kardinal Marx und EKD-Ratsvorsitzendem beim Katholikentag

Foto: epd/Hanno Gutmann

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (l.), und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.

Bei einem theologischen Disput nach historischem Vorbild haben der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, die bisher erreichte Versöhnung unterstrichen.

Bei ihrem Gespräch auf dem Katholikentag in Leipzig rief Bedford-Strom dazu auf, in ökumenischen Streitfragen wie dem Abendmahl auf das zu schauen, was erreicht worden ist. "Es ist fruchtlos, die alten Debatten weiter zu führen", sagte er. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, plädierte für einen vorsichtigen Umgang auch in der Sprache: Der Begriff "Kirchenspaltung" sei zu stark, sagte er.

Es gehe darum, die "versöhnte Verschiedenheit", von der auch Papst Franziskus spricht, zu praktizieren, sagte Bedford-Strohm. Zwar empfinde er einen "kontinuierlichen Schmerz" darüber, dass das gemeinsame Abendmahl noch nicht möglich sei, sagte der bayerische Landesbischof. Doch es gebe positive Zeichen für Flexibilität. So habe Franziskus nicht nur die lutherische Gemeinde in Rom besucht, er habe auch einen Abendmahlskelch mitgebracht und gesagt: "Schreitet mutig voran." 



Marx zeigte sich "dankbar für die differenzierten Aussagen" von seinem protestantischen Kollegen. Auch er sieht nach eigenen Worten ein "Vorankommen auf dem gemeinsamen Weg". Der Erzbischof von München betonte aber auch, es dürfe "nicht nur von einem Veränderung verlangt werden". Katholiken dürfen nicht an gemeinsamen Eucharistiefeiern teilnehmen.

Die beiden Bischöfe redeten im Rahmen der "Leipziger Disputation" unter dem Titel "Recht, Gerechtigkeit, Rechtfertigung" in der voll besetzten Thomaskirche miteinander. Im Jahr 1519 hatten der Theologie-Professor Johann Maier aus Eck und Martin Luther in Leipzig mehrere Tage lang unter anderem über das Primat des Papstes gestritten. Bedford-Strohm sagte nun, die synodal verfasste protestantische Kirche könne "nie unter die Rechtsgewalt des Papstes gestellt werden". Dennoch sehe er, dass katholische Theologen in den vergangenen Jahren stärker das Kommunikative des Papstamtes betont hätten.

Deutsch-britische Kirchenpartnerschaft feiert 25jähriges Jubiläum

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Die anglikanische Kirche von England und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) feiern ihre seit 25 Jahren bestehende Partnerschaft.

Dazu hat am Donnerstag eine viertägige Tagung der sogenannten Meissen Kommission in München begonnen. Wie die EKD am Donnerstag mitteilte, findet aus Anlass des Jubiläums am 4. September um 10 Uhr in der Münchener St. Matthäuskirche ein Abendmahlsgottesdienst statt. Auf der Tagesordnung des deutsch-britischen Kirchentreffens stehen vor allem die Themen Migration und Flüchtlingsarbeit.

Die gemeinsame Meissen-Kommission der EKD und der Kirche von England besteht aus jeweils fünf Mitgliedern beider Kirchen. In der "Meissener Erklärung" haben sich EKD und die anglikanische Kirche 1991 zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft verpflichtet. Pfarrer können danach in der jeweils anderen Kirche predigen und Gläubige am jeweiligen Abendmahl teilnehmen. Im sächsischen Meißen begann die Annäherung der beiden Kirchen. Sie gipfelte zunächst in der dort 1988 veröffentlichen "Gemeinsamen Feststellung". 1991 wurde dann die "Meissener Erklärung" verabschiedet.



25 Jahre Meissener Erklärung seien ein Beispiel für praktizierte Ökumene, verlässliche Partnerschaft "und nicht zuletzt auch ein gelingendes Stück Europa", würdigte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister die Jahrzehnte gemeinsamer Arbeit. Die Kommission wird von den beiden Co-Vorsitzenden, neben Landesbischof Meister der anglikanische Bischof Nick Baines aus Leeds, geleitet. Unter anderem will die bayerische Europaministerin Beate Merk (CSU) zum Thema "Welche Politik brauchen wir in Bayern, Deutschland und Europa für einen menschenwürdigen, gerechten und integrativen Umgang mit Flüchtlingen?" sprechen.
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